Das Buch: „Nurejew und Wien“

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Stuttgart, 06/02/2003

Als mir Andrea Amort vor ein paar Jahren über ihren Plan eines Buchs über Nurejew und Wien berichtete, war ich skeptisch: wen interessierte das schon außerhalb Wiens (und wen in Wien) – zudem, war dieses Thema wirklich buchfüllend? Jetzt, da das Buch „Nurejew und Wien – Ein leidenschaftliches Verhältnis“ vorliegt, kann ich die Herausgeberin (Andrea Amort) nur beglückwünschen und die Nurejew-Verehrer in aller Welt ermuntern, sich dieses ebenso charmanten wie liebenswerten Seitenkapitels aus dem Leben dieses charismatischen Tänzers und Choreografen anzunehmen – sie werden es ganz bestimmt nicht bereuen (Verlag Christian Brandstätter, Wien 2003, 128 Seiten mit 118 Abbildungen, € 39.60, ISBN 3-85498-227-S). Es ist das Buch zur gleichnamigen Ausstellung – noch bis zum 23. März im Wiener Theatermuseum).

Die exzellente Fotoauswahl und -präsentation stimuliert die Neugierde auf die Artikel, die von so Wien-erfahrenen Autoren wie Amort, Brunner, Oberzaucher, Ursuliak und Weissenböck stammen, nebst einem brillanten Porträt „Die Einsamkeit des Langstreckentänzers“ von Klaus Geitel und Schnappschussskizzen von Wiener Kollegen wie – unter anderen – Musil, Birkmeyer, Bienert, Kirnbauer und Stadler. Das setzt sich zusammen zu einer faszinierenden Collage aus Persönlichkeitssplittern, ebenso komplex wie gegensätzlich – am Ende ist man verwirrter als je zuvor. Aber das Faszinosum Nurejew lässt sich eben nicht festlegen und gar eingrenzen, und das macht ja eben seine Faszination aus. Schade, dass nicht auch ein kundiger Informant aus Wiens Gay-Szene als Autor vertreten ist – der hätte mit seinem Report noch einen weiteren Splitter dieser Persönlichkeitsstudie hinzufügen können und erklären, was denn wohl Nurejew zu seiner Liebeserklärung an Wien inspiriert hat, als er konstatierte: „From the start I liked Vienna enormously. It meant to me the gayest, most beautiful und hospitable city I had ever seen.“

Dies ist sicher eine Saison mit einem der reichsten Angebote an neuen Büchern über den Tanz. Neben den rein informativen Publikationen etwa des vorzüglichen neuen Reclam-Ballettführers, von Schmidts Choreografenporträts, der Leipziger Hommage an Kurt Petermann und Sabine Huschkas „Moderner Tanz“ beweisen die Bücher über Malakhov, die Sacharoffs, die neuen Chroniken über das Stuttgarter und das Bayerische Staatsballett und nun auch dieses Buch über Nurejew und Wien geradezu einen Quantensprung, was die Qualität der Buchproduktion (einmal ganz abgesehen von ihrem Inhalt) angeht, die Bildpräsentation, das Layout und die attraktive Covergestaltung. Das ist zweifellos die Design-Schule von „europe´s leading dance magazine“, das ja in der Tat in puncto grafische Gestaltung nicht nur in Europa, sondern offenbar in der ganzen Welt nicht seinesgleichen hat.

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