Gala der Tanzstiftung Birgit Keil 2002

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Ludwigsburg, 08/11/2002

Sie gehört inzwischen zu den Red-Letter-Days des Stuttgarter Tanzkalenders: die jährliche Gala der Tanzstiftung Birgit Keil im Ludwigsburger Forum-Theater. Sie dient zweierlei Zwecken: einmal Gelder einzuwerben für die Stiftung und zum anderen als Ausstellungforum der von Birgit Keil geleiteten Akademie des Tanzes Mannheim – seit neuestem bekanntlich zur Kaderschmiede des künftigen Karlsruher Balletts avanciert. Deren Schüler und Studenten zeigen hier, wie sie in ihrer Arbeit vorangekommen sind und können so das Resultat ihrer Arbeit an den Beiträgen messen, die die eingeladenen Gäste präsentieren – in diesem Jahr die Studentenkollegen von der Ballettschule der Mailänder Scala sowie Solisten der Kompanien aus Essen, Hamburg, Amsterdam, Wien, Mailand, Rom und London. Für die musikalische Begleitung sorgten Davor Krnjak und die Württembergische Philharmonie Reutlingen.

Drei Stunden lang ging es auf diese Weise hoch her, eingeleitet von Keil und Lothar Späth in ihrem Pas de Conférence, gefolgt sogleich von dem Polonaisen-Auftakt, arrangiert von Keil höchstpersönlich als Grand Defilee aller Absolventen der Akademie, von den Knirpsen der Baby-Klassen bis zu den Meisterschülern, sozusagen als Visitenkarte der École du Mannheim. Dann ging es weiter mit Pas de deux und kleineren Ensembles – natürlich die unvermeidlichen Klassiker aus „Nussknacker“ , „Don Quixote“ und „Schwanensee“, aber auch zeitgenössisch ambitioniert à la Roland Petit, Jean-Chistoph Maillot, Vittorio Biagi, John Neumeier, William Forsythe nebst Renato Zanella (mein Lieblingsballett: „Spartacus“) – die übliche Tänzerparade, gut gemischt aus Junioren und Profis und erfreulicherweise nicht zu lang.

Das Publikum schien sich prächtig zu amüsieren – und am meisten offensichtlich über die fünf Frauen von Biagis römischer Danza Prospettiva mit ihrer „Pizzicata Tarantata“, einem Schüttel-Exercise wie für eine Schwangerschaftsgymnastik. Aber auch Sabrina Brazzo und Federico Bonnelli waren eindeutige Publikumsfavoriten mit Forsythes rasant hingelegtem Pas de deux aus „In the Middle Somewhat Elevated“. Doch auch die anderen konnten sich über den ihnen gespendeten Beifall nicht beklagen.

Hätte ich Preise zu verteilen gehabt, wäre mein Gold an Agnes und Thomas Edur gegangen, das Ehepaar vom English National Ballet, die den „Schwarzen Schwan“ mit einer solchen Noblesse und Souveränität tanzten, dass sie meiner Meinung nach nicht Edur heißen sollten, sondern Esdur, das ja viel strahlender und glänzender klingt. Silber hätte ich dann an die beiden Hamburger Silvia Azzoni und Thiago Bordin vergeben für ihren von feinster hanseatischer Neumeier-Subtilität und Sensibilität erfüllten „Spring and Fall“ – und Bronze den beiden aus Essen angereisten Taciana Cascelli und Marat Ourtaev in Maillots meisterhaft detailziselierter Balkonszene aus „Romeo und Julia“.

Am meisten gefreut habe ich mich aber über die Kreation dieser Gala: Christian Spucks „Chaconne“ zur Ballettmusik aus Mozarts „Idomeneo“, choreografiert für vier Tänzerpaare der Mannheimer Akademie – ein Pas de huit, strotzend von jugendlichem Schabernack und Übermut – genau wie ich mir den zehnjährigen Knirps Wolfgang Amadeus bei seinem ersten Besuch in Mannheim vorstelle. Und die Mannheimer Junioren schütteln diese Choreografie so aus ihren zappelnden Bodies, Armen und Beinen, dass es einen kaum stillsitzen lässt. Wahrlich, hier haben die Jungakademiker aus Mannheim ihr Firmenschild-Ballett geschenkt bekommen, auf das sie sich denn auch sogleich heißhungrig gestürzt haben – wie weiland die Stuttgarter auf Crankos „Romeo und Julia“.

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