Die Akademie des Tanzes Mannheim zu Gast bei den Schlossfestspielen

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Ludwigsburg, 07/07/2002

Die Mannheimer Schule ist ein kulturhistorisch beglaubigter Begriff, der für Orchesterdisziplin und kompositorisch für die Frühklassik im Kreis um Johann Stamitz steht. Mozart war von ihr begeistert, als er auf der Reise nach Paris hier Station machte. Die Akademie des Tanzes Mannheim, Teil der lokalen Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, steht zwar nicht direkt in dieser Tradition, weiß sich aber deren hohem Klassikideal in ähnlicher Weise verpflichtet.

Seit 1997 der Leitung von Birgit Keil unterstellt, hat sie sich in fünf Jahren ein beachtliches internationales Renommee erarbeitet und konkurriert heute auf gleichem Niveau mit Berlin, Hamburg, Essen, Stuttgart und München. Zu Gast bei den Ludwigsburger Festspielen im dortigen Schlosstheater mit seiner ob ihres Neigungsgefälles berüchtigten Bühne, stellte sie der von Keil und ihren Kollegen geleisteten pädagogischen Aufbauarbeit ein glänzendes Zeugnis aus.

Besonders im ersten Teil des Programms, das vielversprechend mit der paprikagewürzten „Grand Palotás de la Reine“ für vier Tänzerpaare begann, choreografiert von Erwin Kecsek – ein Stück, in dem die Mannheimer Junioren unter Beweis stellten, mit welch einer Lust sie bei der guten Sache sind. Es folgten dann verschiedene Pas de deux bis zum „Nussknacker“-Modell von Wainonen als Nachweis ihrer grundsoliden Ausbildung, die größten Wert auf Musikalität, schnittige Attacke, felsenfeste Standfestigkeit, kraftvolle Lifts, präzise und schnelle Rotationen mit exakten Schlusspositionen und kantablen Linienfluss legt.

Im Schlussstück vor der Pause „Just Before Falling“ präsentierten sie dann sogar einen eigenen Choreografen, Terence Kohler, ganze 18 Jahre jung, der zu Musik von Cage und Bach sein Knowhow im Umgang mit der akademischen Technik ironisch hinterfragt und dabei den elf von ihm eingesetzten Kollegen Gelegenheit bietet, all ihre Talente auszustellen. Schön wäre es natürlich, wenn er sich eines Tages zu einem Johann Stamitz des Tanzes entwickeln würde, der dann einem auf der Durchreise befindlichen choreografischen Junggenie à la – sagen wir Peter Quanz ähnlichen Respekt abnötigen wird wie seinerzeit Stamitz dem jungen Mozart.

Denn mit einem Ballett wie dem im zweiten Teil gezeigten „Kadettenballett“ von Ivo Vana Psota (frei nach David Lichines 1940 in Sydney uraufgeführtem „Graduation Ball“) ist nun heute wirklich kein Staat mehr zu machen, so sehr es den Tänzern auch sichtlich Spaß bereitete, ihren Affen Zucker zu geben und in die Knatterchargen ihrer Rollen einzusteigen – und wie sehr das Publikum auch diese nostalgische Evokation einer Zeit goutierte, in der die Welt des Balletts noch heil und in Ordnung war (oder doch zumindest so schien). Das ist eher ein Musterfall von Ballett, das der Geschmacksverbildung junger Tänzer unheilvoll Vorschub leistet.

Wenn man sonst der Meinung war, dass hier in Mannheim vielleicht eine Performing Group von NDT II Format heranwächst, so kann man sich im Repertoire der holländischen Junioren ein Ballett wie diesen „Kadettenball“ unmöglich vorstellen (und eigentlich auch nicht, dass er dem ästhetischen Anspruch einer Persönlichkeit wie Birgit Keil genügt). Hier wünschten wir uns, dass sich die jungen Mannheimer Tanzakademiker ihr Vorbild eher bei Hans van Manen und seinen Kollegen als bei den Ahnherren der Ballets Russes de Monte Carlo-Ära holten!

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