Schläpfer, Celis und van Manen im Programm VI

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Mainz, 03/06/2001

Toll, was Martin Schläpfer da in zwei Spielzeiten zustande gebracht hat: einen regelrechten Mainzer Ballett-Boom – mit einer Pico-bello-Truppe, welche die unterschiedlichsten stilistischen Anforderungen exakt auf den Punkt bringt. Offenbar die gute Basel-Spoerli-Schule! Sogar für eine total ausverkaufte Wiederholungsvorstellung des jüngsten Programms am Pfingstsonntag – besonders gefürchtet im Theaterkalender, weil alle Städte dann wie ausgestorben sind – gab es einen Massenansturm auf die Kasse. Das Verblüffendste aber war, dass die meisten der abgewiesenen Interessenten sich dann doch irgendwie Zutritt verschafft haben, indem sie die Kontrolleure einfach beiseite drängten!

Ein ausgesprochen clever zusammengestelltes Programm: Zur Einstimmung Schläpfers Mozart-„Adagio für Glasharmonika“ in mehrfacher musikalischer Wiederholung (so dass man Mozart glatt für einen Vorläufer von Philipp Glas halten konnte) und unterschiedlichen Pas-de-trois-Konstellationen (Kirsty Ross, Yuko Kato und Igor Marmonov) – eine hübsche Petitesse in der Van-Manen-Nachfolge, sehr musikalisch, choreografisch nicht ohne Pfiff, mit ein paar komischen Akzenten, mir manchmal zu neckisch, aber insgesamt unweigerlich gute Laune stiftend – ein Apéritif, gemixt aus drei Tänzerindividualitäten, die ihre Sache vorzüglich machen.

Das Programm abrundend am Schluss dann ein reiner van Manen: das unverwüstliche „In and Out“ – blitzblank poliert von Mea Venema und von den Mainzer Tänzern so hingefetzt, dass sie sehr wohl als NDT 4 fungieren könnten. Ausgesprochen an van Manen orientiert auch die im Mittelpunkt stehende Kreation „Quartett“ zu Béla Bartóks viertem Streichquartett, choreografiert von dem siebenunddreißigjährigen Belgier Stijn Celis für vier Tänzerpaare – für mich die aufregendste Choreografenentdeckung der Saison. Dieser Celis ist ein Mann, der sehr genau auf die Musik hört, kristallen-formklar, der sich aber auch musiklose Pausen gönnt, mit exakt positionierten Gruppenstatements zu Beginn jeden Satzes, aus denen sich dann die räumlichen Entwicklungen ergeben, sehr dichte polyphone Körperlineaturen, die immer wieder in hinreißend synchron ausgeführten Kantilenen ausschwingen, die Motionen aufgeladen mit einer nicht zu stoppenden Energie.

Trotz aller Van-Manen-Bezüge ein sehr persönliches Ballett. Die Tänzer: Lauren Bunn und Igor Mamonov, Simone Cavin und Nick Hobbs, Yuko Kato und Guido Wallner, Kirsty Ross und Jörg Weinöhl: ein Oktett gleichgestimmter Seelen, vor allem aber eben auch wunderbar harmonisierter Körper (Trainingsleiter Leslie Hughes und Didier Chape). Das Mainzer Pfingstwunder oder Mainz ist nicht nur eine Ballettreise, sondern sogar einen Umweg wert!

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