Malakhov wird Ballettchef in Berlin

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Berlin, 13/10/2001

Nun also ist es definitiv, am Montag wird Vladimir Malakhov seinen Vertrag als Ballettdirektor der Deutschen Staatsoper Unter den Linden unterzeichnen. Das wäre also Gerhard Brunners zweiter Streich – nach der von ihm eingefädelten Berufung von Blanca Li an die Komische Oper. Jetzt fehlt nur noch die Deutsche Oper – und im Hintergrund schwelen die Fragen, was wird aus Johann Kresnik und seinem an der Volkbühne gekündigten Choreografischen Theater – und was aus dem von Brunner für Berlin so nachdrücklich favorisierten Joachim Schlömer?

Was mich denn doch überrascht, ist, dass offenbar keine der großen Berliner Tageszeitungen die Berufung Malakhovs kommentiert – jedenfalls nicht in den mir zugänglichen heutigen Internet-Ausgaben. Die Morgenpost und die Berliner Zeitung begnügen sich mit der Veröffentlichung der Meldung – die Welt und der Tagesspiegel halten offenbar nicht einmal die bloße Meldung für veröffentlichungswert – die Frankfurter Allgemeine begnügt sich ebenfalls mit der Meldung, ein bisschen umformuliert von der Berliner Musikkorrespondentin des Blattes.

Lediglich die beiden Stuttgarter Zeitungen kommentieren das Berliner Engagement Malakhovs, und dort tun es nicht etwa die Tanzkritiker, sondern die beiden Feuilletonchefs höchstpersönlich – wohl weil sie sich als Stuttgarter persönlich involviert fühlen, hat Malakhov doch bereits im Juni erklärt: „Ich werde mich von Stuttgart und anderen Verpflichtungen verabschieden müssen“. Reid Anderson, von den „Stuttgarter Nachrichten“ um einen Kommentar gebeten, hält Malakhov in Anbetracht der sehr schwierigen Umstände der Berliner Tanzszene für den richtigen Mann. „Leider wird Berlins Gewinn unser Verlust sein, aber für die deutsche – die Berliner Tanzlandschaft – ist es das Beste, was jetzt passieren konnte.“

Ist es das wirklich? Ich zumindest habe da so meine Zweifel. Nicht etwa, dass ich jemand anderen favorisieren würde (ich bin heilfroh, dass Heinz Spoerli das Angebot ausgeschlagen hat, sich in diese Drachenhöhle zu begeben). Auch ich schätze Malakhov als Tänzerstar mit ausgesprochenem Virtuosenkaliber und gestehe ihm auch sein persönliches Charisma zu. Offensichtlich strebt er die Nachfolge von Nurejew und Baryschnikow an – beide haben große Kompanien übernommen und weiter auch getanzt (was auch Malakhov nicht nur in Berlin, sondern auch in Wien und beim ABT tun will) – bei Nurejew ist das gut gegangen, war aber durch seinen frühen Tod nur von relativ kurzer Dauer – bei Baryschnikow und dem ABT hat das nicht so gut geklappt, und so hat er denn auch schon bald sein dortiges Engagement wieder gelöst.

Malakhovs Format als Choreograf ist noch nicht richtig einzuschätzen: seine Wiener „Bajadere“ wird man als Erfolg werten dürfen, doch sein Wiener „Maskenball“ verrät eine derart beschränkte und altbackene Ästhetik, die für die Zukunft nichts Gutes ahnen lässt. Die choreografischen Gäste, die er sich ans Berliner Haus wünscht, sind die üblichen, die fast jeder neue Leiter einer unserer Spitzenkompanien bei seiner Berufung nennt. In allem, was Malakhov im Vorfeld seiner Verhandlungen genannt hat, kann ich beim besten Willen kein künstlerisches Programm entdecken, das der Profilierung der Staatsopern-Ballettkompanie zugutekäme.

Es wird da sehr auf den Beraterstab ankommen, mit dem er sich umgeben wird. Vielleicht hat er ja in dieser Beziehung von Wien gelernt, wo Zanella von Glück sagen kann, dass er in Traude Klöckl und Alfred Oberzaucher zwei tanzbesessene, ihm absolut loyal ergebene Zuarbeiter hat. Brunner würde ich diese Funktion eines Übervaters für Malakhov durchaus zutrauen. Ihm würde ich wünschen, dass er nach all diesem unerträglich lange sich hinziehenden Gezerre um seine Rolle für die Berliner Ballettszene doch noch die Position erhält, die ihm und Berlin so gut anstünde: vergleichbar der Rolle und Funktion, die Diaghilew für das internationale Ballett der zehner und zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gespielt hat, und Kirstein als Gründervater des amerikanischen Balletts.

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