Drei Kreationen beim Stuttgart Ballett

oe
Stuttgart, 16/06/2001

In puncto Kreativität lässt sich das Stuttgarter Ballett nicht leicht von irgendeiner anderen deutschen Kompanie übertreffen. Nach Christian Spucks „Carlotta´s Portrait“ vor knapp zwei Monaten gab es jetzt eine geballte Ladung von drei Uraufführungen bei der Premiere im Kleinen Haus: von Douglas Lee „Siren Sounding“, von Dominique Dumais „still.nest“ und von Kevin O´Day „dreamdeepdown“.

Lee ist gerade zum Solisten befördert worden, Dumais ist eine dreiunddreißigjährige Kanadierin, Anderson seit seiner Zeit in Toronto verbunden, und O´Day ist bekanntlich der amerikanische Senkrechtstarter, der in Stuttgart seinen internationalen Durchbruch hatte und der als Choreograf für die Deutsche Oper Berlin im Gespräch ist, aber mit dem Vertragsabschluss noch zögert („In Berlin ist so viel Unruhe. Die Verantwortlichen können sich nicht entscheiden, was sie wollen – und was nicht“).

Zunächst einmal: Der Unfug mit den englischen Titeln in möglichst verrätselter Schreibweise geht mir nachgerade auf die Nerven. Warum nicht, zum Beispiel, „Lockruf der Sirenen“? Weil trotz aller Kommentare keine Sirenen auf der Bühne zu entdecken sind? Das Ballett beginnt in einem magisch ausgeleuchteten Raum (Steven Scott), mit cleveren Gruppenarrangements für fünf Paare, verläppert dann aber rasch in einer Folge von nichtssagenden Pas de deux, die auch durch solche Tänzerpersönlichkeiten wie Yseult Lendvai und Julia Krämer, Robert Conn, Robert Tewsley und Thomas Lempertz nicht gerettet werden.

Interessanter ist das mit einem fulminanten Solo für Eric Gauthier eröffnete „still.nest“, dessen Inhalt mir auch nach Dumais´ Erläuterungen ein Buch mit sieben Siegeln bleibt, aber durch seine exzentrischen Motionen für fünf Tänzerpaare (darunter Bridget Breiner und Roberta Fernandez, Ivan Gil Ortega und Friedemann Vogel), seine Bodenakrobatismen mit verqueren Füssen durchaus fesselt, andererseits irgendwie verschmockt-schwülstig wirkt.

Den Vogel schießt eindeutig O´Day ab. Drei Top-Solisten (Tamas Detrich, Sue Jin Kang und Tewsley), vier Solistenpaare (Krämer und Conn, Breiner und Roland Vogel, Roberta Fernandes und Gauthier, Elena Tentschikowa und Ortega), dazu drei Gruppenpaare – ein Bewegungsleitmotiv (ich plädiere für den Troglodyten-Trott, brillant und ungemein sexy demonstriert von Tewsley), sehr bunt gemischte simultan auf verschiedenen Ebenen ausgeführte Gruppenmotionen (Polychronie), fantastische Wurf- und Fangaktionen, das Ganze in einem atemberaubenden Tempo praktiziert. O´Day weiß mit den Stuttgarter Tänzern umzugehen, und die lohnen es ihm mit atemberaubender Brillanz (und auch hier wieder saust Gauthier wie ein fliegender Teufel durch die Lüfte). Nervtötende Musik (?) von O´Days ständigem Geräuschproduzenten John King. Das Stuttgarter Ballett: ein Kraftwerk geballter tänzerischer Energie.

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