Programm VII

Ein neues Stück von Martin Schläpfer

oe
Mainz, 19/12/2001

Seit 1999 Ballettchef in Mainz, präsentiert Martin Schläpfer sein siebtes Programm. Ob er seine Ballettabende so durchnummeriert annoncieren sollte, den neuen also als „Programm VII“, scheint mir eher fragwürdig und wenig publikumsfreundlich. Es ist der erste Abend im von Grund auf erneuerten Großen Haus – doch noch sind die Bauarbeiten nicht abgeschlossen und behindern gerade auch den Ballettbetrieb offenbar in erheblichen Maße. Daher wohl auch die überlangen Pausen, weil die Technik ihren Apparat noch nicht voll im Griff hat.

Der Publikumsbegeisterung tut das alles indessen keinen Abbruch, das volle Haus applaudierte allen drei Teilen mit großer Begeisterung – ganz anderes als ich es letzthin in Nürnberg erlebt habe. Auch waren keinerlei Einbußen hinsichtlich der tänzerischen Qualität zu beklagen. Eher verwundert die doch sehr unterschiedliche Größe der Tänzer, besonders bei synchronen Passagen, die freilich an Gleichklang und Harmonie nichts zu wünschen übriglassen. Es ist eine Kompanie mit ausgesprochen sympathischer Ausstrahlung.

Als Rahmen des Dreiteilers dienten zwei Schläpfer-Kreationen: das neue „Concerto grosso“ (Nr. 2 für Violine, Violoncello und Orchester) von Alfred Schnittke und „Last Sleep“ zu John Taverners Anbetung für Streichquartett und Handglocken, ursprünglich choreografiert 1999 für Bern – dazwischen als Mittelstück Nicolo Fontes „En los Segundos Ocultos“ („In den verborgenen Sekunden“) ebenfalls zu einer Musik von John Taverner („The Protecting Veil/Wake Up... And Die“).

Fonte ist Amerikaner, hat auch schon in Nürnberg gearbeitet – sein flüssig choreografiertes Stück für fünf Tanzpaare, das laut Programmnotiz den verborgenen Sekunden zwischen Gewesensein und Seinswerden nachspürt, gibt sich reichlich enigmatisch und kommt sichtlich aus der NDT-Schule via Duato und Kylián, gefällt seiner klaren Bauweise wegen, bleibt eng an die Musik gebunden, gibt indessen mehr Rätsel auf als dass es Lösungen bietet. Die bietet auch Schläpfer nicht, der in seinem „Concerto grosso“ das „Stille Nacht“-Thema, das wie eine Chaconne die Schnittke‘sche Musik grundiert, aufgreift und mit allen möglichen Weihnachtsreferenzen spielt – auf merkwürdig gebrochene Weise, wie auch die roten Kugeln nicht nur die Kugeln eines Weihnachtsbaums sind, sondern eine geradezu schicksalhafte Bedeutung annehmen.

Wie denn überhaupt das ganze Stück in seiner stilistischen Bandbreite einen gewaltigen Raum auslotet und alle möglichen Assoziationen weckt, namentlich auch zu mönchischen Prozessionen – andererseits aber auch zur scheinbar heilen Welt des klassischen Balletts. Ganz klug wird man aus dem tänzerischen Inhalt nicht, und das ist auch bei Schläpfers „Last Sleep“ nicht anders, über dem ein dumpfes Verhängnis zu walten scheint. Das nimmt sich alles sehr poetisch aus und bietet sehr unterschiedliche Arten von Tanz, bürdet dem ganzen Abend aber eine schwere Last auf und überfordert meiner Meinung nach das Publikum. Schläpfer, dessen choreografische Begabung außer Zweifel steht, muss unbedingt darauf achten, dass seine nächsten Programme kontrastreicher, farbiger und ruhig auch etwas leichter und humorvoller werden.

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