„Promethean Fire“ von Paul Taylor, Tanz: Ensemble

Die Step-Maker

Das Wiener Staatsballett zeigt in der Volksoper Werke von Paul Taylor, Mark Morris und Martin Schläpfer

Jetzt auch noch athletisch: Das Ensemble in Wien soll ganz schön viel

Wien, 13/02/2023

Einst schätzte man den Amerikaner Paul Taylor, er ist 2018 verstorben, für seine vielgestaltigen Tänze, alle voran „Esplanade“, die er für sein besonderes Ensemble schuf. Wie meinte er doch grinsend in der Film-Doku „Dancemaker“ (1998), die Zigarette im Mund, hier bruchstückhaft: „I am a spy, I watch people, I am a reporter.“ Wenn nun das Wiener Staatsballett die Anstrengung unternimmt „Promethean Fire“ zu tanzen, ist es ebenso löblich wie komplex und schwierig, in der Fülle aus unterschiedlichsten Stilen und Ästhetiken der derzeit nahezu parallel getanzten „triple bills“, zwei an der Zahl, nun in einem dritten auch noch den athletischen Stil des eklektizistischen Graham-Schülers zu erobern. Der ehemalige Taylor-Tänzer Richard Chen See hat das blockhafte im Stil des frühen Modern Dance gebaute, schwarze Stück zu einer Bach-Kompilation in der pathetischen Orchestrierung von Leopold Stokowski einstudiert, das Paare kraftvoll, vor allem Fiona McGee und Eno Peci, inmitten immer wieder großer Gruppe zeigt. Da wird gebaut, gestaltet und auch losgelassen. Das Stück kam ein Jahr nach den Terror-Anschlägen in New York heraus und verfehlte wohl in den USA seine Wirkung nicht. In der Wiener Volksoper ist es die dunkle Referenz an einen Tanz-Kontinent, der Europa einmal künstlerisch vorgestanden hat.

Ob der Amerikaner Mark Morris (geb. 1956), anfänglich ein Revoluzzer, heute ein Klassiker ist, lässt sich von seinem Neun-Männer-Stück „Beaux“, das 2012 zu Cembalo-Werken von Bohuslav Martinu mit dem San Francisco Ballet herauskam, nicht ablesen. Morris, der in seiner Brüsseler Zeit spannende Werke kreierte, darunter Händels „L’Allegro, Il Penseroso ed Il Moderato“ (1988), hat in den letzten Jahren zwar das akademische Vokabular strapaziert, das dem sehr musikalischen Bewegungsfinder (und Dirigenten) von der anweisenden Hand läuft. „Beaux“ aber scheint eines jener Stücke zu sein, das trickreich, komplex und teilweise verspielt wohl ziemlich genau auf die Persönlichkeiten und das Können der Uraufführungstänzer zugeschnitten wurde. Der Witz, den die bunten Trikots vor einem ebensolchen Hänger als Dekoration suggerieren sollen, muss sich in Wien erst herstellen.

Zwischen den beiden Einaktern präsentierte Hausherr Martin Schläpfer zwei Miniaturen, die aus seinem bisher gezeigten Oeuvre in Wien am überzeugendsten wirken: das 2005 in Mainz für seine ehemalige Solistin Marlucia do Amaral entwickelte Solo „Ramifications“ nach György Ligetis gleichnamiger Komposition für Streichorchester. Nun ist es Sonia Dvorak, die in einem luftigen Rock mit schimmerndem Oberteil und auf Spitze Ligetis gedehnte Streicher-Strecken mit harten Stößen in den Boden akzentuiert und räumlich wie gestisch außer sich gerät. „Lontano“ für großes Orchester von Ligeti, 2009 in Amsterdam uraufgeführt, bebildert Schläpfer mit sechs Tänzer*innen (in Trikots von Keso Dekker), die neoklassisches Material austesten. Ein herausfordernder Abend auch für das Volksopernorchester unter Jean-Michael Lavoie.

„Wir sollten alles tanzen können“, meinte Martin Schläpfer einmal sinngemäß bei einer Pressekonferenz in der Staatsoper. Der Anspruch ist verständlich. In der Realität aber geht die Breite der Vielfalt von Marius Petipa bis Lucinda Childs und bald Ohad Naharin derzeit auf Kosten von präzisem, werktreuem Stilwollen, Klassizität und Homogenität, den Grundlagen eines primär klassischen Ensembles.

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