Lin Hwai-min „Moon Water“

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WDR, 13/04/2001

Das knappe siebzig Minuten lange Stück, Anfang 1999 in Taiwan uraufgeführt und im gleichen Jahr beim „Tanz im August“ in Berlin zu sehen, hat auch in seiner Reiner-Moritz-Fernsehproduktion nichts von seiner fremdartigen Faszination eingebüßt.

Ein paar einführende Worte wären dem Verständnis allerdings förderlich gewesen, denn die Verbindung von ausgewählten Sätzen aus Bachs „Suiten für Violoncello“ (gespielt von Mischa Maisky in einer doch sehr romantisch anmutenden Interpretation, weit entfernt von allen heutigen Bestrebungen um eine Annäherung an die originale Aufführungspraxis) und der Tai-Chi-Technik, deren sich der Choreograf bedient, erscheint aus unserer abendländischen Perspektive – wenn auch nicht willkürlich, so doch gewöhnungsbedürftig.

Allerdings erliegt man rasch dem Sog, den diese verzögerten, in einen wunderbaren Fluss eingebundenen, immer wieder angehaltenen und in dekorativen Posen gerinnenden Bewegungen und harmonisch komponierten Gruppierungen ausüben. Die Tänzer des Cloud Gate Theatre praktizieren das wie ein fernöstliches Ritual, das eine eigene Art von Magie bewirkt und suspendieren so unser normales Zeitgefühl – genau wie der Raum sich ins Unendliche zu verlieren scheint, bis er am Schluss leise vom Waser überspült wird, das die Tänzer quasi zurückholt in seinen ewigen Energiestrom. Alles fließt – und mit ihm beginnt auch unsere Fantasie zu fließen, die nicht mehr unterscheidet zwischen Wirklichkeit und Illusion, sondern wie im Drogenrausch in pure Poesie und Ästhetik eintaucht.

Hätte gern auch die für heute Abend angekündigte Sendung von Mark Morris´ „Dido und Aeneas“ angesehen – aber keiner meiner Bekannten, die alle technisch begabter sind als ich, konnte mir sagen, wie ich den ZDF-Theaterkanal empfangen kann.

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