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Stuttgart
GESCHÜTZTER TANZ
Auf Abstand und in Plasteblasen: "Social Distance Stacks" - das Fotoprojekt von Florian Mehnert beim Stuttgarter Ballett
Gerade in Stuttgart, wo das Publikum sein Ballett, seine Tänzerinnen und Tänzer so liebt, ist der Abstand eine schmerzliche Erfahrung. Und dies besonders in dieser Saison, wo es in diesem Jahr genau 60 Jahre her ist, dass John Cranko hier eine für Deutschland bislang einmalige Höhe des Tanzes erreichen konnte, die bald auch international wahrgenommen wurde, das "Ballettwunder aus Deutschland" ereignete sich in Stuttgart. Das wäre ja ein Anlass zum Feiern. Aber derzeit, alles auf Abstand, gilt es alle Möglichkeiten und Chancen zu nutzen, die Erinnerungen wach zu halten, die Vorfreude auf jenen Moment, in dem sich der Vorhang wieder öffnet, auf der Bühne getanzt wird, im Publikum die Herzen höher schlagen und am Ende, wie so oft hier, sich ein Blumenregen über die geliebten Stuttgarter Tänzerinnen und Tänzer ergießt.
Um diese Erinnerung, diese Vorfreude immer wieder zu nähren, lässt man sich in Stuttgart einiges einfallen, bei allem gebotenen Abstand, dank medialer Möglichkeiten dürften die Bande der Zuneigung dennoch gut halten. In diesem Zusammenhang dürfte auch das Fotokunstprojekt "Social Distance Stacks" von Florian Mehnert nicht nur bei Ballettfans von besonderer Wirkung sein. Stuttgarts erste Solistinnen und Solisten, Elisa Badenes, Hyo Jung Kang, Anna Osadcenko, Friedemann Vogel, Adhonay Soares da Silva und David Moore hat der Fotokünstler hier jeweils in einer großen, durchsichtigen Kugel aus Plastik platziert. Dabei nehmen sie Haltungen und Positionen aus drei Stuttgarter Klassikern ein, "Romeo und Julia" und "Schwanensee" von John Cranko, "Giselle" von Peter Wright.
Dieses auch performative Fotoprojekt macht auf besondere Weise die Wahrnehmung der Distanzen deutlich. Da sind Menschen, also Tänzerinnen und Tänzer bestens zu sehen, mehr noch, sie tragen Kostüme und Masken der Rollen, in denen man sie begeistert erlebt hat und wieder erleben möchte, aber sie sind eingeschlossen. Mag sein, man kann es auch als Bild des Schutzes sehen, aber bei genauerem Hinsehen lassen sich ja auch Gefahren erahnen. Die Zeiten dieses Einschlusses sind begrenzt, der Vorrat an Sauerstoff braucht sich auf. Die Wärme tut ein Übriges, denn die Körpertemperatur der Eingeschlossenen kann zur Gefahr werden. Tanz ist keine Kunst des Einschlusses, der einsamen Geste in einer Blase. So hat diese Aktion bei allem ästhetischen Reiz auch einen gefährlichen, wahrnehmbaren Hintergrund.
Natürlich, "Social Distance Stacks" ist eine in Fotografien festgehaltene Kunstaktion. Der ästhetische Reiz ist offensichtlich. Die Motive schmerzlicher Wahrnehmung des Abstandes, und die Umwandlung der tänzerischen Bewegung in die eingeschlossene, fest stehende Geste, bleibt aber ebenso präsent. Noch gilt es Distanzen auszuhalten, zu ertragen, auch zu begleiten. Wie es sein mag, wenn wieder Distanzen überwunden werden, wenn die Freiheit des Tanzes nicht nur in der Erinnerung, nicht nur in medialer Präsenz, wieder die Freiheiten emotionaler Wahrnehmung der Kunst der Kommunikation, wie sie eben nun mal das Theater in besonderer Weise möglich macht, zu erleben sein werden, das mag auch große Kraft gespannter Erwartungen frei legen. Kunstaktionen wie die des Stuttgarter Balletts und des Fotografen Florian Mehnert sind dabei mehr als nötig.
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