Ausstellung „Berliner Secession & Russisches Ballett: Ernst Oppler“ des Deutschen Tanzarchivs Köln

Ausstellung „Berliner Secession & Russisches Ballett: Ernst Oppler“ des Deutschen Tanzarchivs Köln

Der „Tanzmaler“ Ernst Oppler (1867-1929)

Zu Buch und Ausstellung von Frank-Manuel Peter anlässlich des 150. Geburtstages des Künstlers

Das Deutsche Tanzarchiv Köln präsentiert im Tanzmuseum erstmals eine umfassende Retrospektive zu Ernst Opplers Arbeiten mit Tanzbezug.

Köln, 02/01/2018

Von Ralf Stabel

Frank-Manuel Peter, Leiter des Deutschen Tanzarchivs in Köln und Autor des vorliegenden Buches „Ernst Oppler: Berliner Secession & Russisches Ballett“, ehrt den Künstler anlässlich seines 150. Geburtstages mit einer sehenswerten Ausstellung im Kölner Tanzmuseum im Mediapark und der ersten umfassenden Monografie über Ernst Oppler, dessen Arbeiten zum Tanz seiner Zeit ihm den Beinamen „der Tanzmaler“ eintrugen.

Das Tanzarchiv hat sich bisher nicht nur um die Herausgabe der Forschungsergebnisse von Jochen Bruns zu Ernst Oppler verdient gemacht (siehe: Jochen Bruns, Ernst Oppler: 1867 -1929; Leben und Werk; mit einem Werkkatalog seiner Ölgemälde und Druckgraphiken, 1997). Das Archiv hat auch den Bestand an Werken des Künstlers konsequent vergrößert. Und das zahlt sich jetzt aus - wie in der Ausstellung „Berliner Secession und Russisches Ballett: Ernst Oppler“ zu sehen ist. Ko-Kuratoren der Ausstellung sind Klaus-Jürgen Sembach und Thomas Thorausch. Erstmals ist eine umfassende Retrospektive von Ernst Opplers Arbeiten mit Tanzbezug zu sehen. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf dem nie zuvor gezeigten zeichnerischen Werk. Die gezeigten Arbeiten stammen aus dem in Köln bewahrten bedeutenden Nachlassbestand des Künstlers. Ein Besuch der Ausstellung lohnt in jedem Fall, um das umfangreiche Werk im Original betrachten zu können. Die sich zurücknehmende Gestaltung der Ausstellung gibt den meist kleinformatigen Zeichnungen in ihrer klugen Anordnung die Möglichkeit, für die Betrachtenden ihre Wirkung zu entfalten. Die Texte informieren über und leiten gleichermaßen hilfreich durch das überbordende Werk. Verschiedene Filmsequenzen, bei denen man einem anonymen Tanzzeichner ‚über die Schulter’ schauen kann, während er eine Tanzszene auf einem Skizzenblock festhält, lassen die Momente, in denen Ernst Oppler sein zeichnerisches ‚Tanz-Werk’ schuf, lebendig und anschaulich werden.

Wer die Ausstellung nicht besuchen kann oder konnte, dem sei das Begleitbuch empfohlen. Angeboten wird das Buch als Katalog zur Ausstellung, aber es ist natürlich viel mehr als das, denn es ist außerordentlich informativ durch die ausgewählten Textbeiträge des Herausgebers und weiterer Autoren wie Oscar Bie, Max Osborn, Wolfgang Bruhn und einem Beitrag aus der Feder Ernst Opplers selbst, und sehr anschaulich durch die 227 Abbildungen, die mit allen Etappen, Mal- und Zeichentechniken sowie den wechselnden Sujets in der künstlerischen Entwicklung des Künstlers bekannt machen. Im Buch sind daher ca. 100 Kunstwerke mehr als in der Ausstellung zu sehen, weil eben auch Werke aus anderen Bereichen als dem Tanz abgebildet sind. Die konsequent in Deutsch und in Englisch verfassten bzw. publizierten Texte werden das Werk von Ernst Oppler einer entsprechend großen Leserschaft zugänglich machen.

Einer Odyssee gleicht die Aufarbeitung von Ernst Opplers Leben und Werk durch den o. g. Wissenschaftler Jochen Bruns und vor allem, wie das Werk des Malers nach seinem frühen Tod 1929 im Alter von nur 61 Jahren in alle Winde verstreut worden ist, denn im nationalsozialistischen Deutschland wurden die Werke von Ernst Oppler nicht mehr ausgestellt. Der Hauptnachlass des Künstlers blieb schließlich bei der Schwägerin Else Oppler in München, andere Teile gingen in die USA und nach Israel. Dramatisch lesen sich die Ausführungen über die Flucht der Familienmitglieder beziehungsweise über ihr selbst gesetztes Lebensende. All dies beschreibt Frank-Manuel Peter in der Einleitung zum Buch unter der Überschrift „Hinter den Kulissen“.

Der Mensch und Künstler Ernst Oppler

„Der Zeichner (Ernst Oppler) hat die Welt der Bühne in seine eigene Kunst gebannt und uns eine Erinnerung geschaffen an ein großes Erlebnis, die um so länger dauern wird, als sie selbst ein Erlebnis seiner eigenen Kunst wurde“, schreibt der renommierte Tanzschriftsteller Oscar Bie 1922 über den Künstler.

Die Initialzündung, sich der Bühne zuzuwenden, war für Ernst Oppler, der für seine impressionistischen Innenraum-Bilder und seine sommerlichen Landschaften mit Stränden in Holland, Frankreich und Belgien sowie für die bildnerische Wiedergabe sportlicher Ereignisse wie Tennisturniere bekannt war, die geschlossene Veranstaltung des kaiserlich-russischen Balletts am 5. Mai 1909 in Berlin. Von diesem Moment an war er sozusagen dem Tanz, besser den Tänzerinnen und Tänzern, ‚verfallen’ und schuf auf diesem Gebiet das in dem Buch und in der Ausstellung dargestellte so umfangreiche wie beeindruckende Oeuvre im Bereich des Tanzes.

Ernst Oppler, 1867 in Hannover geboren, entstammt einem wohlhabenden, kunstsinnigen, jüdischen Elternhaus. In München studiert er Malerei und stellt dort auch erstmals aus. „Träumerei“, eines seiner ersten Werke, wird sogar vom Prinzregenten Luitpold von Bayern erworben. Er gehört der „Gruppe 24“ an und ist Mitglied der „Münchner Secession“. Jochen Bruns schreibt, dass es oft stille Bilder seien, die in dieser Zeit entstehen, Bilder von Frauen in kontemplativen Momenten. Ganz im Gegensatz zu den Bildern der „‚modernen‘ Pleinaristen“. Auf die Studienzeit in München folgen zwei mehrjährige Aufenthalte in London. Auch hier bleibt er seinem Sujet treu: „Wie in seinen Werken, die in München entstanden, stellt Oppler weiterhin elegante, untätige Figuren dar, die in dämmrigen Räumen und bürgerlichen Salons ihren zumeist melancholischen Gedanken nachhängen.“

Oppler ist und bleibt – in seinem Leben und in seinen Werken – bürgerlich. Kein Wunder also, dass ihm später das Ballett, das große Spielzeug von Aristokratie und Bürgertum, so sehr ins Auge fällt. Von London aus geht es für ihn nach Holland, wo er sogenannte Genre-Bilder schafft. Das ist damals ‚in’. Max Liebermann hat es vorgemacht. Opplers Bilder gleichen den Liebermannschen sehr und werden mitunter auch mit diesen verwechselt. Das ist sicherlich nicht schädlich für den Ruf und für das Geschäft.

Berlin und Ballett

1905 kommt er in Berlin an, wo er das nächste Vierteljahrhundert bis zu seinem Tod leben wird. Und hier nun kommt er endlich in Kontakt mit Bühne und Ballett. En passant erfährt man, aber doch tanzhistorisch interessant, dass das kaiserlich-russische Ballett damals gar nicht so bekannt und erfolgreich war, wie es heute rückwirkend mitunter dargestellt wird, und dass ihr erster großer Berliner Erfolg am 5. Mai 1909 das Ergebnis klugen PR-Handwerks aus der Trickkiste des Paul Cassirer war. Und eben diesen besonderen und so erfolgreichen Ballettabend hat auch Ernst Oppler in der Berliner Krolloper erlebt. Und von Stund‘ an wird die Darstellung des Balletts „zu einem bedeutenden Schwerpunkte seines künstlerischen Schaffens“ und trägt ihm den Beinamen „der Tanzmaler“ ein. Und damit hat er im Späteren nicht unwesentlich zur weiteren Popularisierung der von ihm Dargestellen beigetragen. Oppler sucht und findet einen eigenen Weg, sich der tänzerischen Bewegung zu nähern. Er wird das Wesentliche der Kunst und das Wesen der Künstlerinnen und Künstler mit seinen Mitteln gestalten. Vom Tanz und seinen Protagonistinnen und Protagonisten ist Oppler derart begeistert, dass er zum Beispiel den Ballets Russes bis nach Paris nachreist, um sie dort bei Proben und Auftritten zu zeichnen: „Ernst Oppler war damals der erste unter den Malern, der tief erregt und begeistert diesem Erlebnis einen adäquaten und gleichsam kongenialen Ausdruck zu geben unternahm. Es war, als wäre sein ganzer künstlerischer Werdegang (…) nur die Vorbereitung zu diesem neuen Schaffen und als sollte es hier in der Wiedergabe des russischen Balletts erst die rechte Steigerung, die eigentliche Krönung finden“, schreibt Wolfgang Bruhn rückblickend über dieses Erweckungserlebnis und seine Folgen. So wird also Ernst Oppler ab diesem Moment auch ganz nebenbei bildnerischer Chronist der tänzerischen Erneuerung des Bühnentanzes seiner Zeit. Sein Skizzen-Buch ist ein „Who is Who“ der damaligen Tanz- und Theaterszene: Anna Pawlowa und Josephine Baker, Václav Nijinsky und Leni Riefenstahl, Fritzi Massary und Tamara Karsawina – um nur einige der uns heute Bekannten zu nennen. Seine Werke dokumentieren sowohl das Repertoire der Ballets Russes bei Proben und Aufführungen – aus den Jahren 1910 bis 1914 sind dies „Carnaval“, „Scheherazade“, „Le spectre de la rose“, „Les Sylphides“ und die „Josephslegende“ – als auch Aufführungseindrücke aus der Berliner Oper Unter den Linden.

Was als Erstes auffällt in seinen Werken, und das betrifft nicht nur die Tanzbilder, ließe sich mit dem Wort Zurückhaltung beschreiben. Er drückt seinem Gegenstand nie ‚seinen Stempel auf’, sondern erblickt ihn und gestaltet diesen Eindruck. Als BetrachterIn seiner Bilder hat man so das Gefühl, in der von Oppler dargestellten Szene selbst mit anwesend zu sein. Das geschieht auf derart selbstverständliche Art und Weise, dass es nie voyeuristisch wird. Oscar Bie bestätigt das als Zeitgenosse, wenn er über Opplers Werke zu den Ballets Russes schreibt, sie seien tatsächlich die „Wiedergabe des Eindrucks, wie er in unserem Gedächtnis haften geblieben ist“.

Und eben diese Eindrücke und Einblicke gewähren Buch und Ausstellung uns heute. Deshalb sei all jenen, die sich für Tanz, seine Geschichte und Protagonistinnen und Protagonisten, vor allem aber für das spannende Verhältnis zwischen künstlerischer Bewegung und ihrer Abbildung interessieren, Buch und Ausstellung wärmstens empfohlen. So etwas gab es zu Ernst Oppler bisher nicht. Das Buch ist ein unverzichtbares Standardwerk zu diesem bedeutenden Künstler!


Frank-Manuel Peter (Hg.): „Ernst Oppler: Berliner Secession & Russisches Ballett“, Deutsches Tanzarchiv Köln/SK Stiftung Kultur, deutsch/englisch, Wienand Verlag, 176 Seiten mit 230 farbigen Abb., 23 x 28 cm, gebunden mit Schutzumschlag, € 36,-, SFr 43,90, ISBN 978-3-86832-391-7

 

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