Im steten Wandel
„Tanzkritik im Gespräch“ - eine Reihe zur Ausstellung im Tanzarchiv
Die Ausstellung „Faltenwurf und Walzerschritt“ im Museum des Tanzarchivs Köln
Durchs Foyer des Tanzmuseums im Deutschen Tanzarchiv Köln flimmert eine Walzer-Szene mit Willy Fritsch und Lilian Harvey in großer Abendtoilette aus dem Film „Der Kongreß tanzt“ von 1955. An leeren Schneiderpuppen vorbei geht es zur ersten Koje der Jahresausstellung „Walzerschritt und Faltenwurf - Tanz und Mode im Wandel der Zeit“. Zum ersten Mal fokussiert sich das Tanzarchiv damit auf seinen Fundus aus über 700 Einzelstücken zur Kostümgeschichte.
Vor dem italienischen Kupferstich eines Relieffrieses mit Tänzerinnen (in antikisierten Gewändern) thronen auf zierlichen Stelen unter Glas ein winziges griechisches Ölgefäß mit der Abbildung einer Tänzerin und die älteste Rarität unter den Beständen des Museums, das zauberhafte Terracotta-Figürchen einer griechischen Manteltänzerin aus dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert. Der malerische Faltenwurf des vom ausgestreckten Arm fallenden Stoffs wiederholt sich fast identisch im raffinierten Schnitt des daneben dekorierten, cremefarbenen Tanzkleides von Isadora Duncan, die sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts - nicht als einzige - für ihren freien „Tanz der Zukunft“ von den lose wallenden Gewändern der Antike inspirieren ließ. Clotilde von Derp beispielsweise trug 1934 die ausgestellte hochelegante weite, im Rock plissierte Seidenrobe mit à la grècque über der Brust gekreuzten goldenen Litzen. Ihr Mann Alexander Sacharoff trat in den 1920er Jahren in einem Überwurf auf, der einem Priestergewand aus römisch-vorchristlicher Zeit nachempfunden war.
Was zwischen Antike und Jetzt modisch trendig war im Alltag und auf der Bühne, bleibt in der charmanten Schau auf nur 300 Quadratmetern Fläche weitgehend ausgespart. Stellvertretend für das klassische Ballett steht einzig ein Tellertutu mit engem, spitzenbesetzten Mieder, das Birgit Keil 1978 als Swanilda trug. Bewegungsfreiheit für die artistisch-akrobatische hohe Schule der Danse d'école siegte über den Geruch aufreizender Körperschau. Im Straßenbild durfte Frau bekanntlich erst wesentlich später so viel „Fleisch“ zeigen.
Accessoires der Zeit - wie ein Radio namens „Ballett“ neben dem Tutu - ergänzen auch die Kostüme in anderen Kojen - ein hübsches, zuweilen witziges Wechselspiel von Alltag und Kunst. Ein theatralisches Gewand mit blauem Samtumhang, dessen Innenseite beim Heben der Arme golden schimmerte, passte ganz zu den exaltiert expressionistischen Soloauftritten Harald Kreutzbergs. Einige der wenigen erhaltenen eigenen Aquarellzeichnungen des gelernten Modezeichners und Wigman-Schülers sind neben dem Kostüm ausgestellt, dazu eine Statuette des Künstlers als „Engel Luzifer“ aus weißem Rosenthal-Porzellan. Eine veritable Kuriosität prunkt nebenan: von Le Corbusier stammt die Chaiselongue, deren Bezug Valeska Gert, als sie das Möbel besaß, ansatzweise bemalte.
Wie unbefangen die Kuratoren Thomas Thorausch, stellvertretender Leiter des Tanzarchivs, und die Textilwissenschaftlerin Katja Stromberg Gesellschaftstanz und Bühnentanz fast gleichberechtigt mit dem Thema Mode verquicken, zeigt sich auf der anderen Seite vom Mittelgang, durch den die Besucher flanieren. Hier geht's mit Mode, Tanz und Modetanz so richtig zur Sache. Auf kleinen Monitoren laufen, zwischen schrägen Stellwänden mit Seiten aus Modejournalen und Gazetten oder Plakaten, köstliche Filmszenen mit Modetänzen von Walzer über Can Can bis Charleston, Boogie-Woogie und vulgären „Schiebetänzen“, die nur von fern an Tango erinnern. Auch Jazz mit der temperamentvoll tanzenden Josephine Baker und das Varieté spielen eine wichtige Rolle. Ein schrill bunt glitzernder Umhang der Berlinerin Lylott reiht sich effektvoll in die Kostümgalerie ein. Im Varieté war der Glamour zu Hause - lange bevor Hollywood unsterbliche Diven und Modegöttinnen in Farbe auf Celluloid bannte und der Karneval von Rio über unsere heimischen Fernsehschirme defilierte.
Die fröhlich-frivolen Tänze führte natürlich der Charleston an. Neben dem fast ein bisschen lächerlich wirkenden frosch-grünen Frack aus den 1950er Jahren für den Herren wirkt der schmale Hänger mit buntem Zackenmuster und schwarzem, metalldurchwirkten Fransensaum besonders frech.
Mit betont kitschigen Walzerträumen endet die Exposition. Wie in ein Weihnachtszimmer tritt man in den halb verdunkelten quadratischen Raum, in dessen Zentrum sich eine riesige weiße Figurine wie eine Spieluhr dreht. Fritsch und Harvey werden darauf projiziert. Ein Tenor schmettert „Zwei Herzen im Dreivierteltakt“. Ein Elektrokardiogramm zeichnet geradezu bösartig den gleichmäßigen Herzschlag eines Menschen auf und straft Robert Stolz' hüpfende Operettenseligkeit Lügen. Der Boden ist mit roten Rosen besteckt - und erinnert an Pina Bauschs „Nelken“-Dekor.
Das passt zum sonntäglichen Rahmenprogramm am 22. Februar: nach der Führung durch die Ausstellung mit den Kuratoren ist Marion Cito zu Gast und gibt Hintergrundinformationen zu ihrem Bildband „Schönheit wagen“ mit Tanzkleidern für das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch.
„Faltenwurf und Walzerschritt - Tanz und Mode im Wandel der Zeit“ - Ausstellung im Tanzmuseum des Deutschen Tanzarchivs Köln, Im Mediapark 7, 50670 Köln bis 9. August 2015, täglich außer mittwochs 14-19 Uhr. www.sk-kultur.de
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