„The Concert“ von Jerome Robbins (The Robbins Rights Trust)

„The Concert“ von Jerome Robbins (The Robbins Rights Trust)

Kleine Tanzreise mit ganz Großen

Balanchine - Schläpfer - Robbins bei b.29

Da sind drei Tanzmacher am Werk gewesen, die mit ganz unterschiedlicher choreografischer Handschrift zeigen, wie wunderbare Musik auf der Bühne ganz neu glänzen kann.

Duisburg, 29/10/2016

Es wäre nicht ganz korrekt, von zwei künstlerischen Vater-Sohn-Paaren zu sprechen, die sich im 29. Programm des Ballett am Rhein treffen. Immerhin aber: Neoklassik-Papst George Balanchine förderte den 14 Jahre jüngeren Broadway-Starchoreografen Jerome Robbins bekanntlich immer wieder und gewann ihn für sein New York City Ballet. Balanchines Spätwerk „Mozartiana“ und Robbins' getanzte Slapstickkomödie „The Concert“ umrahmen die Uraufführung von Martin Schläpfers „Konzert für Orchester“, das er seinem lange verehrten Vorbild Hans von Manen widmet. Der europäische Grande der Neoklassik verfolgte den Abend unauffällig in der zehnten Parkettreihe.

Schläpfers neue Choreografie beginnt ganz ohne Musik mit einem düsteren Gruppentableau. Kaum merklich verändern sich Posen und Gesten einzelner Figuren in ihren düsteren, lackglänzenden Outfits von Florian Etti. Der hat auch den Raum mit zwei schräg auf die Spielfläche ragenden wuchtigen Konstruktionen - verfremdete Kulissengänge? - bestückt. Den helleren Rückprospekt ziert das halbabstrakte Fragment einer Kuh (?) - Referenz an die folkloristischen Anklänge in Witold Lutoslawskis Komposition von 1954 und Schläpfers Appenzeller Heimatverbundenheit? Auch das populäre Orchesterstück des Warschauer Komponisten trägt eine Fülle von Assoziationen und Zitaten - angefangen schon bei den barocken Satzbezeichnungen oder militärischen Märschen bis hin zum sakralen Choral im Finale, das den Gruppencharakter der Choreografie noch einmal unterstreicht. Eine Fülle von Klangfarben und unterschiedlichste Instrumentalgruppierungen inspirieren Schläpfer zu klar strukturierten Formationen, die immer wieder an van Manens geometrische Stringenz und Eleganz erinnert. Nur sind dessen meiste Bühnenwerke ja delikate, helle Kammerballette. Schläpfer kann mit seiner überaus konzentrierten, hochkarätigen Truppe durchaus punkten - und immer wieder staunen machen über den offenbar unerschöpflichen Reichtum seines Bewegungsvokabulars.

Wie anders Balanchines vorangestellte „Mozartiana“ auf Tschaikowskys Suite Nr. 4 von 1981, zwei Jahre vor seinem Tod noch einmal für Suzanne Farrell kreiert. Da wird der strenge Kanon des klassischen Balletts zelebriert, den Balanchine so hartnäckig wie innovativ zu erhalten und erneuern bestrebt war. Gleichsam als ein Trauerflor muten die scherenschnittartigen Rokokovorhänge und angedeuteten Barockkulissen an. Todesvorahnung (stirbt mit dem Vater der Neoklassik in Amerika auch das traditionelle Ballett?) signalisieren auch die schwarzen Rokokokostüme der drei Solisten, spärlich akzentuiert mit Weiß, und der acht Damen des Corps. Das halblange Tutu der Ballerina ist mit schwarzem Tüll verschleiert. Bei der Duisburger Premiere tanzte Feline van Dijken den Part der Diva makellos. Marcos Menha bewährt sich als ihr sehr eleganter Partner. Alexandre Simões bot eine veritable kleine Commedia dell'Arte-Harlekinade und kokettierte mit eigenwillig abgewinkelten Händen und Füßen. Ein Novum beim Ballett am Rhein ist die Besetzung des Corps: Als Gäste tanzen Elevinnen der Mannheimer Akademie des Tanzes.

Ein kurioses Konzertpublikum - Kur- oder Badegäste mit Klappstühlen unterm Arm - unterhält Pianist Matan Porat in bester Mitspiellaune und als Tastenlöwe, wie im gesamten Programm zuverlässig unterstützt von den Duisburger Philharmonikern unter Wen-Pin Chien, mit einem Chopin-Arrangement von Clare Grundman. Köstliche kleine Charakterstudien von Individuen zwischen blasiertem Bildungsgehabe und Langeweile wechseln ab mit Parodien auf ein klassisches Corps de ballet mit allerlei Macken und Marotten. Ein launiger Rausschmeißer. Insgesamt ist der Duisburger Dreiteiler überhaupt eine abwechslungsreiche Reise durch die neuere Ballettgeschichte. Da sind drei Tanzmacher am Werk gewesen, die mit ihren ganz unterschiedlichen choreografischen Handschriften und Temperamenten zeigen, wie wunderbare Musik auf der Bühne ganz neu glänzen kann.
 

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