„Sho-bo-gen-zo“ von Joseph Nadj

„Sho-bo-gen-zo“ von Joseph Nadj

Nur Sitzen

Joseph Nadj mit „Sho-bo-gen-zo“ bei der euro-scene Leipzig

Leipzig, 13/11/2011

Einem Weltenwanderer wie Joseph Nadj ist Exotismus auf der Bühne schlechterdings gestattet. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Kunst auch wesentlich für das Hier und Jetzt ist. Als sich am Donnerstag der Saal des Theaters der Jungen Welt verdunkelt, betreten die raffinierte Bühne (zwischen Schrein und Tor zu einer anderen Welt) zunächst die Kontrabassistin Joëlle Léandre und der Musiker Akosh Szelevényi. Sie bilden den eindrücklicheren Teil des Darsteller-Quartetts. Mit welch gelassener Hingabe sie die Instrumente bearbeiten hat etwas von Zen. Dabei entsteht eine geballte Musikkulisse, die Grenzen zieht und wieder verschwimmen lässt. Die beiden Tänzer Cécile Loyer und Joseph Nadj bilden ein von klassischen Regeln befreites Pas de deux. Die erste Szene geht kaum japanischer: Sie in Kimono und fest geschnürtem Obi mit Nō-Maske und asiatischer Bewegungssprache. Er breit auf einem Thron sitzend mit dämonischem Kabuto. Samurai und Dienerin begeben sich auf eine Reise durch die Zeiten bis in die Gegenwart. Nun hat eine spirituelle Reise idealiter einen Fluss, ein Strömen. Nadj aber reiht Nummern aneinander, die spröde daherkommen und in ihrer getriebenen Zeichenhaftigkeit nur schwer zugänglich sind. Freilich haben die einzelnen Szenen einen Wert, sind herrlich eigensinnig, zuweilen mit gütig-kauzigem Zen-Meister-Humor. Wie immer finden sich jene Nadj-typischen lyrischen Kleinode, wenn etwa Stuhlbeine entkorkt werden und salbungsvolles Wasser auf die Akteure träufelt oder kleinste Gesten ganze Geschichten eindampfen.

Die Bewegungen der Körper sind präzise zerstückelt, erinnern zuweilen an Taiko-Trommler, haben aber durch fehlende Kontrastierung kaum Tragweite. Mehr Yin als Yang. Nadjs Ansatz erscheint welk und der Relevanz beraubt. Die intellektuelle Bezugnahme auf den Titel „Sho-bo-gen-zo“ macht dann wieder einiges klarer. In der Hauptschrift des Sōtō-Zen legt Meister Dōgen fest, dass Übung und Erleuchtung identisch sind, dass also die Ausübung von Praktiken bereits das Ziel ist. Die zentrale Übung ist Zazen – nichts weiter als „nur sitzen“ – das kann man als Zuschauer praktizieren.

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