Ritterschlag für Demis Volpi
Demis Volpi zum Hauschoreografen und David Moore zum Solisten des Stuttgarter Balletts ernannt
Am 24. April startet auf Prime Video eine neue Serie, die in der Ballettwelt spielt: „Étoile“. Über die Handlung ist noch nicht viel mehr bekannt, als dass zwei große Ballettkompagnien in Paris und New York beschließen, ihre Solistenriegen zu tauschen, um ihre erlahmten Ticketverkäufe anzukurbeln. Dies mag etwas abstrus anmuten, doch für Erfolg sprechen dürfte die Tatsache, dass hinter der Staffel mit acht Folgen das vielfach preisgekrönte Duo Amy Sherman-Palladino und Dan Palladino („Gilmore Girls“ und „The Marvelous Mrs. Maisel“) stecken, die nicht nur das Drehbuch-Handwerk verstehen, sondern auch eine Riege namhafter Schaupieler*innen versammelt haben, darunter Charlotte Gainsbourg und Luke Kirby.
Und zu den in „Étoile“ mitwirkenden Tänzerinnen und Tänzern gehört auch der Brite William Moore, der schon lange Zürich sein Zuhause nennt. Ausgebildet an der Royal Ballet School verbrachte er die ersten sieben Jahre seines Berufslebens beim Stuttgarter Ballett, wo er bereits mit 24 Jahren Erster Solist wurde und folgte dann 2012 Christian Spuck zum Ballett Zürich. Zu zahlreich sind die Hauptrollen seiner großen Karriere – viele davon für ihn kreiert – in denen er begeisterte und berührte, um sie hier aufzuzählen. Was Moore als Tänzer immer besonders ausmachte, waren die Natürlichkeit und die scheinbare Leichtigkeit, mit denen er seine Rollen mit mitreißender, unverstellter darstellerischer Kraft füllte. Zu der Ehrlichkeit seiner Kunst hat sicher auch seine Bescheidenheit beigetragen. Will Moore ist kein Mensch, der sich wichtig nimmt. Er wirkt fast ungläubig, wenn er hört, wie sehr er als Tänzer auf der Bühne beeindruckt hat.
Transition
Vor drei Jahren gab Moore dem spontanen Impuls nach, sich einer nach für ihn erfüllten und erfolgreichen Spielzeit ein Jahr vor Christians Spucks Weggang nach Berlin von der Bühne zurückzuziehen. „I was ready to go“, so beschreibt der charmante 39-Jährige rückblickend diesen Moment. Eine Entscheidung, die immer ein großer und emotionaler Schritt ist, egal, ob sie, wie bei Moore, aus freien Stücken gefällt wird oder durch Kündigung passiert. Es ist sehr individuell, wie sich Tänzer*innen auf ihren Transition-Pfad begeben. Manche mit klaren Vorstellungen eines neuen Berufswegs, andere ohne jegliche Idee, wie es weitergehen wird.
Will Moore hat zunächst über ein Jahr lang die vorher nie gekannte Freiheit genossen, ist gereist, hat sich treiben und inspirieren lassen. Ihm scheint ein Lebenskünstler-Gen mitgegeben zu sein; mit Grundvertrauen, Offenheit und Neugierde ist er üppig gesegnet. Er ist sich auch nicht zu schade, sein Geld in einem English Pub in der Zürcher Altstadt zu verdienen. Im Gegenteil: Auch dieser Job nährt seine Freude an menschlichen Begegnungen, am Austausch, am Sammeln von ganz unterschiedlichen Erfahrungen. Sein Interessenfeld ist groß; er hat sich nie nur innerhalb der „Ballet Bubble“ bewegt.
Dreharbeiten als Meilenstein
Als William Moore vor einigen Jahren angesprochen wurde, sich für eine Tänzerrolle in „Étoile“ zu bewerben, war seine Reaktion zwiespältig, da er eigentlich nicht mehr tanzen wollte. Die Aufforderung folgte erneut von anderer Seite, so dass er es als Zeichen sah, sich doch dafür zu entscheiden. Zwar war das tägliche Training der an der Serie beteiligten Tänzer*innen wieder wie ein Eintauchen in den vorherigen Berufsalltag, aber die Zeit der in Etappen stattfindenden Dreharbeiten in Paris haben sich als Weichenstellung erwiesen. Moore schildert mit Begeisterung, wie ihn die riesige Zahl von Beteiligten, das Tempo und die fast aberwitzigen technischen Möglichkeiten des Film-Business beeindruckt haben. Aber vor allem mündeten die Erfahrungen und Beobachtungen beim Dreh für ihn in den Ansporn, sich dem vermeintlich Unerreichbaren zuzuwenden und haben ihm diese Erkenntnis beschert: „It's all possible“. Auch das Erleben, dass die Stars am Set nur Menschen sind, die mal Fehler machen, war ein Augenöffner. „In the end it's all very basic“.
Selbst wenn er in „Étoile“ keine Sprechrolle hat, hat die Erfahrung durch die Serie seinen schon lange gehegten Wunsch verstärkt, sich ernsthaft der Schauspielerei widmen zu wollen. Die Gelegenheit für eine kleine Sprechrolle bekam er bereits im vorletzten Jahr für den Film „Stiller“, der in diesem Herbst in die Kinos kommt (Regie Stefan Haupt, in den Hauptrollen Paula Beer und Albrecht Schuch).
Weg ins Schauspiel-Business
Moore hat sich akribisch mit dem Schauspiel-Business beschäftigt: „I became obsessed with how the acting world functions“. Mittlerweile ist er registriert bei großen Casting-Datenbanken und hat eine Agentur. Resultiert daraus ist kürzlich ein Werbe-Dreh für die britische Luxus-Automarke Aston Martin, zwei weitere für andere große Automarken sind in Aussicht.
Doch William Moores eigentliche Bestrebungen gehen in eine andere Richtung. Durch eine der vielen zufälligen Begegnungen, die ihn in seinem Leben immer wieder beglücken, kam er während der Dreharbeiten zu „Étoile“ in Kontakt mit Giles Foreman, dem Leiter einer Schauspielschule in London, vor dessen Qualitäten als Coach er viel Respekt hat. Bei Foreman hat Moore inzwischen bereits Workshops besucht, die gleichermaßen herausfordernd wie motivierend waren, und ihn in dem Vorhaben bestärkt haben, den Schauspielberuf von der Pike auf lernen zu wollen. Monetäre Unterstützung für den neuen Ausbildungsweg kommt aus dem vor einigen Jahren ins Leben gerufenen Fond für „Transition“ des Opernhauses Zürich.
Mit seiner bodenständigen und herzlichen Ausstrahlung scheint Will Moore jemand zu sein, dem alles zufällt. Oft wurde ihm dieses Glück tatsächlich zuteil, aber in Bezug auf seinen neuen Traumberuf, für den er nebst telegenem Aussehen und schöner Stimme bereits Talent und Erfahrung mitbringt, ist er realistisch: „I still need to learn a lot.“ Aber ihn begleitet eine immer wieder leidenschaftlich formulierte, entschlossene Zielstrebigkeit, die keine Zweifel offenlässt: Wo ein Will ist, ist auch ein Weg.
Abschließend nochmal ein Bogen zu „Étoile“: William Moore hält die Serie für clever gemachtes Entertainment, das die Kunstform Ballett respektiert. Aber da auch er noch keine Episode hat sehen dürfen, ist für ihn der Streaming-Start genauso eine Premiere wie für alle Zuschauenden. Und vielleicht ist er dann irgendwann in der geplanten zweiten Staffel nicht nur tanzend, sondern auch sprechend zu erleben, wer weiß.
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