„All our Stories“ von Thomas Noone

Aufbrechen und Ankommen

„All our Stories“ von Thomas Noone am Theater Osnabrück

Tanztheater über das Fremdsein, aber auch über Momente in goldenem Licht: Das dreiteilige Stück begeistert das Osnabrücker Publikum.

Osnabrück, 24/11/2025

Zu Beginn von „All our Stories“ liegt die Bühne des Theaters am Domhof im Dunkeln. Aus dem Orchestergraben kommt die fragende Melodie eines Cellos, drei Scheinwerfer markieren mit ihren matten Lichtkegeln die hintere Bühnenwand. Im Bühnennebel lassen sich zwei nebeneinanderstehende dunkle Elemente erahnen, die Häuser darstellen könnten. Zwischen diesen tritt das Ensemble auf, alle ähnlich gekleidet in lange Hosen und T-Shirts mit oder ohne Arm, die sich nur in den verschiedenen Tönen des Blau oder Türkis unterscheiden (Ausstattung: Isabel Kork). 

Der Aufbruch ins Fremde, um das es im ersten Teil geht, ist schwierig. Vorsichtig tanzt eine Frau, distanziert von einer anderen betrachtet. Zum symphonischen Aufschwung der Musik und des Gesangs der Mezzosopranistin Nadia Steinhardt kommen immer mehr Tänzerinnen und Tänzer dazu. Aber auch in der Menge bleibt jeder für sich. Hier gelingt Noone und dem Ensemble eine wunderbar tänzerische Auflösung dieses Widerspruchs. Selbst wenn sich Begegnungen anbahnen, kommen sie nicht wirklich zustande. Zwar führen alle die gleichen oder ähnliche Bewegungen aus, aber etwas zeitversetzt. 

Mit dem Bewegungsvokabular der Kontaktimprovisation ist es möglich, dass alle mit allen tanzen, und doch Einzelne bleiben. In kurzen Berührungen entstehen so Paare, in denen die Bewegung der Körper aus einem kurzen Kontakt entsteht, der die ganze Person erfasst, die sich über das Knie und um die Hüften des anderen schmiegt und von dort über dessen Schulter nach hinten fließt. Damit trennt sich dieses Paar und tritt in den großartigen Bewegungsfluss ein, von dem fast das ganze Ensemble erfasst ist; kaum einer entzieht sich dieser Begegnung wie der Tänzer, der steif und starr, ohne nach links oder rechts zu blicken, die Menge schnurstracks durchquert.

Zwischen Tanz und Theater

Als sich die Bühnenelemente schräg gegeneinander verschieben und so eine intimere Gasse bilden, wird auch die Szene stiller und intimer. Paare werden identifizierbar, ein Tänzer nimmt eine Tänzerin in die Arme und hebt sie zärtlich hoch, wobei ihn eine weitere Tänzerin ablöst. Tänzerinnen halten sich an den Händen, und ekstatisch werden Arme zum Himmel gestreckt; hier wird schon etwas Gemeinsamkeit gefeiert.

Dieses Ende des ersten Teils bildet stilistisch den Übergang zum zweiten, mehr pantomimisch darstellenden Teil, der dem gilt, was zwischen Aufbruch und Angekommensein geschieht. Das rechtsstehende Bühnenelement ist jetzt umgedreht und zeigt eine erleuchtete Kammer, in der sich ein Tänzer eine Schlafstelle aufbaut. Aber er wird mehrfach von dort verwiesen, weil andere den Platz beanspruchen, und so bleibt er schließlich auf der Stufe zu der Kammer sitzen. 

Dann entfernen die, die ihm den Schlafplatz verweigerten, zwei fenstergroße Einsätze von dem anderen Bühnenelement, so dass es wie der erleuchtete Schalter eines Amtes aussieht. Sie führen den Tänzer von der Schlafstelle dorthin, als sollte statt ihrer das Amt ihm helfen. Aber er wird dort nicht bedient und wartet noch dort, als es geschlossen wird. Schließlich wird auch dieses Bühnenelement umgedreht, und man blickt in ein helles Zimmer mit Stuhl und Tisch. Durch dessen beide Fenster klettern nun alle wuselig hinein und hinaus, sicher die meistdeutige dieser drei Szenen, für die auch stilistisch das Dazwischen gilt: zwischen Tanz und stummem Theater.

Der dritte Teil feiert das Angekommensein, eine Hochzeit. Erstmals fällt goldenes Licht auf die Szene, wo zur hinreißenden west-östlichen Musik Kinan Azmehs und von der Soloklarinette Marian Ghisas aufgepeitscht das Ensemble ausgelassen ein Brautpaar umtanzt. Tanz und Musik verbinden sich Glück verbreitend.

Nach gut einstündigem pausenlosem Tanz langanhaltender Beifall für einen Tanzabend, der verschiedenste Aufbrüche bedeutenden kann.

 

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