„Beginningend“ von Maciej Kuźmiński. Tänzer:innen: Vorne Richard Nagy, hinten (von links) Ayaka Kamei, Chiara Sorrentino, Jeong Min Kim

Isolation vs. Organisches

„Dwa-Zwei“ am Theater Osnabrück zeigt zwei Choreografien von Maciej Kuźmiński und Adi Salant

Widerstreitend oder egänzend? Die beiden Choreografien „Beginningend“ von Maciej Kuźmiński und „Position A“ von Adi Salant suchen unterschiedliche Wege. Die Company in Osnabrück überzeugt in beiden.

Osnabrück, 18/04/2024

Seit Beginn der Intendanz von Ulrich Makrusch am Theater Osnabrück gibt es einen Länderschwerpunkt und diese Spielzeit ist es Polen. Dem ist „Dwa-Zwei“ gewidmet. Für den Doppel-Tanztheater-Abend mit dem polnisch-deutschen Titel hat das Leitungsteam der Tanzsparte, Britta Aliena Horwath und László Nyakas zwei Gäste eingeladen: den polnischen Choreographen Maciej Kuźmiński, der mit seinem Ukraine-Abend „Every Minute Motherland“ in Deutschland bekannt wurde, und die israelische Choreographin Adi Salant, die lange mit der Batsheva Dance Company verbunden war. Beide haben eine jeweils 35 Minuten lange Choreografie erarbeitet.

Kuźmiński: Mechanische Isolation

Bei „Beginningend“, dem Beitrag von Kuźmiński steht im Theater am Domhof ein fast raumfüllend großer Quader auf der Bühne. Seine weißen, mit Reihen von Buchstaben in Computerschrift versehenen Wände (Bühne: Margarita Bock) nehmen laut Programmheft Bezug auf die „konkrete Poesie“ des polnischen Dichters Stanisław Dróżdż (1939 - 2009), die Maciej Kuźmiński für „Beginningend“ als Inspirationsquelle diente.

Wenn die je sechs Tänzerinnen und Tänzer barfuß und in Alltagskleidung (Kostüme: Lucia Frische) diesen Quader bespielen, vollführen sie eckige, teils mechanische Bewegungen. Es ist, als ob sie dabei einzelne Körperteile isolieren, und sie sind durchwegs auch von einander isoliert. Sie sehen sich nicht an, nehmen keinen Kontakt zueinander auf. Selbst wenn alle gleichzeitig stürzen, ruckartig die Bühne verlassen oder parallel auf einem Bein stehend das andere diagonal in die Höhe strecken, bleibt jeder für sich.

Eingestreut sind wenige erzählende Elemente. Einmal liegt eine Tänzerin am Boden, um die sich ein Tänzer erst bemüht, dann aber doch abwendet, ohne sie berührt zu haben. Wenn eine Tänzerin ein sehr ausdrucksstarkes Solo tanzt, wird sie von einer Gruppe erst sorgfältig beobachtet, dann eingekreist und abgeführt. Eine vor den zum stummen Schrei geöffneten Mund gehaltene Hand erzählt auf knappste Weise vom Mechanismus der Isolation.

Verbunden mit einer minimalistischen Musik von nur wenigen, zwischen langen Pausen rasch angeschlagenen Klaviertönen (Musik: Matthew Bourne, Murcof) entsteht so eine bedrückend lähmende Atmosphäre, als spielt sich alles beziehungslos in einem unterkühlten Angst-Raum ab.

Erst zum Ende löst sich die bedrückende Atmosphäre auf. Die Seitenwände des Quaders weichen zur Seite, mit der Rückwand verschwinden die darauf befindlichen Buchstaben. Unbedrängt finden sich nun unter anschwellend hoffnungsfroher Musik alle zusammen. Selbst der letzte Skeptiker reiht sich ein, so dass zum Finale das Ensemble Arm in Arm an der Rampe steht und den aufbrandenden Beifall entgegennimmt.

Salant: Organische Formationen

Für „Position A“ von Adi Salant ist die Bühne weit offen. Ein faltiger Vorhang mit der abstrakten Struktur von Baumstämmen rahmt sie seitlich und hinten ein. Wenn die Tänzerinnen und Tänzer durch diesen Vorhang auftreten oder abgehen, ist es, als würden sie aktiv eingesogen oder ausgestülpt, keinesfalls aber aufgehalten und abgetrennt. Deutlicher Hinweis auf das Thema Grenzen und ihre Durchlässigkeit, das laut Programmheft für Adi Salant zentral ist.

Die meiste Zeit liegt die Bühne im Halbdunkel, und das Ensemble tanzt organisch und meist gemeinsam nicht wie eine lange Fortsetzung des hoffnungsfrohen Endes von „Beginningend“. Schön anzuschauen sind die Bewegungen des Ensembles, das sich zur Musik von Hania Rani und Dobrawa Czocher mehrfach von der geschlossenen Gruppe zu Linien, Dreiecken und Kreisen entfaltet.

Während „Beginningend“ von Maciej Kuźmiński rein tänzerisch auch ohne Polen-Verweis eingängig und verständlich ist, bleibt „Position A“ von Adi Salant thematisch undeutlich und nur tänzerisch gefällig. Das 12 köpfige Ensemble der Dance Company fesselt mit seiner erstaunlichen Leistung, sich in zwei so verschiedene Tanzsprachen souverän bewegen zu können. Großer Beifall nach eineinhalb getanzten Stunden.

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