„Mimetic Bodies“, Ausstellung und Performance von Lena Grossmann

„Mimetic Bodies“

Ausstellung und Performance von Lena Grossmann

Im Kunstverein Freiburg ist eine angepasste, weiterentwickelte Version der Arbeit von 2022 zu sehen.

Freiburg, 20/02/2024

Der Kunstverein Freiburg präsentiert „Mimetic Bodies“, eine ortsspezifische Arbeit der bildenden Künstlerin und Choreografin Lena Grossmann, die zum einen – und das ist besonders – im Format einer Performance erlebt und zum anderen als Ausstellung zum Besuch einlädt. Im Fokus dabei steht unsere Körpersprache als zwischenmenschliche Kommunikation sowie ihre unterschiedlichen Lesarten.

Künstlerischer Ausgangspunkt

Lena Großmann befasst sich interdisziplinär mit dem Verhältnis von Körper und Raum. Insbesondere die Beziehungen von Körpern zueinander in ihren jeweiligen Umgebungen faszinieren sie. Wie wir uns als Körper im Stadtraum, vor allem an Transitorten wie Bahnhöfen, auf Rolltreppen oder an der Ampel verhalten, räumlich organisieren und zueinander in körperlicher Relation setzen, sind Fragen, mit denen sie sich in umfangreichen Rechercheprozessen beschäftigt. Mit ihrer Performance „Mimetic Bodies in Public Space“ (2022) ging es ihr um ein kollektives Körpersprachevermögen sowie Codes, denen wir uns in sozialen, öffentlichen Räumen bedienen. Darauf aufbauend entwickelte sie für den Kunstraum die Lothringer 13 Halle in München „Mimetic Bodies“ (2022).

Für Freiburg hat Lena Grossmann nun eine neue Version von „Mimetic Bodies“, speziell für den Kunstverein als ehemalige Schwimmhalle erschaffen. Von Freitag bis Sonntag zum Auftakt der Ausstellungseröffnung zeigten die fünf Tänzer*innen Estefania Álvarez Ramirez, Georgia Bettens, Tamora Dinklage, Marianne Linder und Lena Schillebeeckx die einstündige Performance für je sieben Besucher*innen mehrmals hintereinander.

„Slow down and speed up“

Mit einer sympathischen Begrüßung heißen die Tänzer*innen uns willkommen. Sie führen uns parcoursartig durch die Halle des Kunstvereins von einer Station zur anderen und damit von Szene zu Szene, in denen sie mimetische Bewegungs- und Verhaltensweisen wie das Nachahmen, Wiederholen, Folgen, Beobachten, Aneignen sowie Einfühlen umschreiben, darstellen und erkunden.

„We go together up the stairs and around the gallery and while doing that slow down and speed up our steps.” Also los, wir gehen, doch wer führt, wer entscheidet über das Tempo unserer Schritte? Soll dies unabhängig voneinander oder gemeinsam als Gruppe geschehen? Das sind Fragen, die mich beim Tun, beim Gehen beschäftigen. Ich beobachte dabei meine Mitlaufenden und horche auf die Geräusche unserer rhythmischen Schritte. Mal bewegen wir uns alle im Gleichschritt, mal asynchron, mal langsamer, mal schneller, mal zeitversetzt. Es ist eine der wenigen Szenen, in der wir Besucher*innen in Aktion, nicht passiv stehend, und durch das eigene Tun eine intensive körperliche Erfahrung in Relation zu allen Teilnehmenden in Bewegung machen.

Ein Score aus farbigen Symbolen

Die Performer*innen orientieren sich an einer von Lena Grossmann entworfenen Bodengrafik. Ein Score aus farbigen Symbolen und geometrischen Formen wie Kreise, Ovale, Dreiecke, Linien und Pfeile sowie Wörter und kurze Texte als Handlungsanweisungen. Sie bespielt die gesamte Halle des Kunstvereins visuell. Auch wir Besucher*innen sind aufgefordert, uns anhand der grafischen Markierungen auf dem Boden räumlich anzuordnen und zu strukturieren – auf den blauen Flächen und Ovalen dürfen wir stehen und die orangen Dreiecke geben unsere Blickrichtung vor. Wir durchlaufen konstruierte Situationen, in denen sich Gruppen bilden, dann wieder auflösen, wir mal eng an eng stehen und die behutsamen, filigranen, detaillierten Hand-, Bein- und Körperbewegungen der Performer*innen von ganz nah – fast Körper an Körper erleben. Oder wir beobachten ein Duett über das Nachahmen und Folgen aus der Ferne. Momente der Isolation, Gemeinschaft, Nähe und Distanz entstehen. Das Wechselspiel aus Zuschauen, Betrachten und dann plötzlich selbst betrachtet werden moduliert dabei unsere Beziehungsverhältnisse untereinander.

Verwehrung freier Bewegung

Die Freiheit sich in einer Ausstellung autonom und damit unabhängig sowie frei zu bewegen, wird durch das kontrollierte räumliche Anordnungsgefüge unserer Körper im Raum bewusst verwehrt. Die festgelegte örtliche Platzierung erinnert an Bühnensituationen, in denen die Zuschauer auf ihren Plätzen sitzen und das Geschehen auf der Bühne passiv, doch aufmerksam erleben.

Bruch – „Let’s go to the next scene“. Wir gehen los, doch – „Wait!“ – ruft jemand. Wir stoppen, drehen uns um und schauen zurück – ich schaue auf den Boden, „looking back“ steht da geschrieben. Die Tänzer*in steht nun da, wieder auf einem blauen Oval, wartend und uns beobachtend. Immer wieder ändert sie ihre Position, mal mit einem auf der Hüfte gestützten Arm, mal wechselt sie das Standbein, dann verschränkt sie ihre Arme wieder oder spielt mit ihren Händen. Auch greift sie nachahmend oder sich aneignend Körperpositionen von uns Beobachtenden auf, was so zum Material ihrer eigenen Bewegungen wird.

Räumliche Kommunikation

Für ihr Bewegungsvokabular greifen die Tänzer*innen Alltägliches auf – Gehen, Laufen und Stehen. Es sind automatisierte Bewegungsabläufe, Körperhaltungen und Gesten, die in uns allen körperlich verankert sind und mit denen wir zwischenmenschlich in Räumen kommunizieren – einen Schritt zurücktreten, um den Abstand zur anderen Person zu vergrößern, ein nachdenkliches Aufstützen des Kopfes oder den Fuß hebend, um die Schuhsohle zu prüfen.

Ein weiterer Bruch – weiter geht’s zur nächsten Station.

Die Bodengrafik als Bindeglied von Ausstellung und Performance

Was nach der Performance als Spur bleibt, ist die weitgreifende grafische Bodenzeichnung. Sie diente den Tänzer*innen als Score oder Partitur für die räumliche Strukturierung ihrer performativen Handlungen im Ausstellungsraum. Die von den Performer*innen verkörperten mimetischen Bewegungsstrategien verteilen sich als Kategorien und Themenfelder über den gesamten Boden und sind nun nochmals und in Ruhe, ohne Performance zu entdecken: Vary, Language, Repetition, Camouflage, Gaze, Empathy, Follow, Imagination, Sound, Body Parts. Auf unserem Weg durch die Halle begegnen wir ebenso Verweisen auf historische Schlüsselwerke der Tanz- und Kunstgeschichte, wie „A Line Made by Walking“ (1967) von Richard Long, Yoko Onos „Walking Piece“ (1964) oder „The Show Must Go On“ (2001) von Jérome Bel. Sie sind ebenso den aufgeführten mimetischen Kategorien zugeteilt.

Als eine Art Landkarte aus Sprache und Zeichen und einem vielfältigen Angebot mit Handlungsanweisungen, lädt sie die Besucher*innen dazu ein, den Ausstellungsraum aktiv zu erkunden und zwischenmenschliche Beziehungen körperlich zu erfahren. „Walk through the space together“, „Imagine the space behind you to be a swimming pool“ oder „Stand behind your partner with a distance” sind Aktionen, die als Solo oder im Duett durchgeführt werden können.

Die Ausstellung „Mimetic Bodies“ im Kunstverein Freiburg ist noch bis 21. April 2024 geöffnet.

 

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