In Grund und Boden gefiedelt
„Folia“ von Mourad Merzouki und der Cie. Käfig als Gastspiel im Ludwigshafener Pfalzbau
Gastspiel „Shift“ im Ludwigshafener Pfalzbau mit Duos von und mit Peter Chu
Zwei Tänzer, vier Welten: Der Choreograf Peter Chu hat einen chinesisch-amerikanischen Background, Roger Van der Poel vereint portugiesische mit niederländischen Wurzeln. In der Offenheit für alles, was man mit außergewöhnlich begabten und hervorragend geschulten Körpern machen kann, treffen sich die Tänzer in zwei faszinierenden Duos zum Tanzabend „Shift“ – ein würdiger Abschluss der Tanz-Gastspiel-Saison in Ludwigshafen.
Peter Chu hat einen eher untypischen Zugang zum Bühnentanz: sein Abschluss an der New Yorker Julliard School wird ergänzt durch Erfahrungen als Kunstturner, mit asiatischen Kampsportarten und chinesischer Philosophie, als Showtänzer bei Celine Dion und als Choreograf für den Cirque du Soleil. Er kennt sich mit Bühneneffekten aus – und so ist auch das Programm „Shift“ geprägt von der ungewöhnlichen Lichtregie (Lisette van der Linden) und einem raffinierten Sounddesign, immer haarscharf entlang großer Emotionen. Roger Van der Poel hat eine klassische Tanz-Ausbildung in Lissabon gemacht und war lange Jahre Solist beim Nederlands Dans Theater – Werke von Sol Léon und Paul Lightfoot kennt er so gut von innen, dass er sie inzwischen auch andernorts einstudiert.
In “take-off“ tasten sich die beiden mit ihrem unterschiedlichen kulturellen Background per Körpersprache an die großen Themen heran: Kommen und Gehen, Sich-Einlassen und Sich-Abgrenzen, Freundschaft, Liebe, Begegnung und Verlust. Zwei Stühle und eine Fülle von Kleidungsstücken, die für verschiedene Rollen stehen, reichen als Requisiten – zum Beispiel der unförmige lange Mantel, der blitzschnell zur Zwangsjacke montieren kann, in der einer den anderen sozusagen am ausgestreckten Arm verhungern lassen kann. Ansonsten begegnen sich die Tänzer auf Augenhöhe – nicht nur, weil beide gleich groß sind und ihre beiden Körper von Erfahrungen geprägt sind, die nur ein gelebtes Tänzerleben mit sich bringt. Der Energiefluss zwischen den Tänzern lässt sich quasi mit Händen greifen und macht das Stück mit seinen fließenden Bewegungen, unaufgeregten artistischen Glanzleistungen und fein austarierten Berührungen von der ersten bis zur letzten Sekunde spannend.
„Seht jene Kraniche im großen Bogen“, dichtete Bert Brecht in seinem Gedicht über „Die Liebenden“. In der chinesischen Kultur gelten die Kraniche wegen ihres hohen Fluges als Vermittler zwischen Himmel und Erde, als Stellvertreter für irdisches Glück. Die „Kranich“-Übung aus dem Qi-Gong soll äußeres und inneres Gleichgewicht mit sich bringen. Von ihr hat sich Peter Chu für die Choreografie „Conscious Shift“ inspirieren lassen. Elegant ausbalancierte, leicht fließende Bewegungen prägen das Stück, in dem raffiniert glitzernde Stoffe und die Windmaschine für kleine Bühnenwunder sorgen. Die schnellen Bewegungen der Kranichflügel lassen unwillkürlich an die Tanzsprache von Marco Goecke denken, als dessen Markenzeichen verzweifelt flatternde Tänzerarme – vornehmlich in der Rücken-Ansicht – gelten dürfen. Bei Peter Chu dagegen ist nichts von Vergeblichkeit zu spüren. Auch wenn seine Kraniche auf der Erde bleiben – das Fliegen, das traut ihnen das begeisterte Pfalzbau-Publikum offensichtlich gerne zu.
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