Es ist Eigenlob, das zum Himmel stinkt. „Bundesregierung bleibt verlässlicher Förderer unserer Kultur- und Medienlandschaft", verkündet Bundeskulturstaatsministerin Claudia Roth vollmundig per Pressemitteilung, doch ein Blick ins Kleingedruckte lässt bei den Angehörigen der freien Szene nichts als verbrannte Erde zurück. Um knapp 50 Prozent – von 32 Millionen Euro auf 18 Millionen Euro – sinkt der Zuschuss zu den sechs vom Bund unterstützten Kulturfonds, darunter auch der Fonds Darstellende Künste und der Fonds Soziokultur, die beide für den Tanz relevant sind. Beim Fonds DaKu soll der Zuschuss von 10,3 Mio Euro in 2024 auf 5,6 Mio Euro in 2025 sinken. Als Bedarf hat der Fonds im Jahr 2022 eine Höhe von 16,5 Mio. Euro errechnet.
Zusammen mit dem Streichen des Zuschusses für die internationalen Produktionshäuser ergibt sich ein klares Bild: Tanz ist für Bund und Staatsministerin schlicht irrelevant. Sie verteilt die die Gelder lieber in die Hochglanzprojekte der vorbürgerlichen Repräsentationskultur wie die kolonial-räuberisch zusammengefledderte Stiftung Preußischer Kulturbesitz (+17 Mio. Euro) oder in „Fuck You Goethe 28“ und „Manta Manta 3 ½“ (Filmförderung: +11,3 Mio. Euro). Bürgerliche Repräsentationsgeilheit und massentaugliche kulturindustrielle Unterhaltung statt inhaltliche zeitgenössische Auseinandersetzungen wie sie der Tanz zu bieten hat. Während alle wie die Maus vor der Schlange zittern, wie sich denn eventuelle Wahlerfolge der AfD auf die Kulturpolitik in den Ländern auswirken könnten, zeigt Roth munter, wie es geht. Wollen sich die Grünen hier gar als Koalitionspartner anbiedern? Das BKM ist sicherlich vieles aber nicht verlässlich.
Von wegen Verstetigung der Förderung!
Man verzeihe die übergriffige Polemik an dieser Stelle, aber wenn man 50 Prozent davon streicht, muss es ja immer noch bissig genug sein, um verstanden zu werden. Auch gönnt man Film und Museen jeden Cent, hat aber hier das Gefühl, dass er aus dem eigenen Fleisch geschnitten wurde. Und da ist dann das Hemd näher als die Hose. Tatsächlich lief ja in den letzten Jahren nicht alles schlecht mit Tanzpakten, Corona-Unterstützungen etc. Doch war es offenbar zu voreilig den Versprechungen zu der Verstetigung der Förderungen Glauben zu schenken. Dabei dachte doch jeder Kulturinteressierte, dass mit den Bündnisgrünen und ihrem Hang zur Avantgarde und der SPD mit ihrem Anspruch einer Kultur für alle, zumindest der Bestand gesichert und die Notwendigkeit der Förderung der freien Akteure verstanden worden wäre. Zuletzt die Sitzung des Kulturausschusses im Bundestag, bei der gerade die gemeinsamen Förderungen durch Bund, Länder und Kommunen als Musterbeispiel gelungener föderaler Kulturpolitik genannt wurde, zeigte doch eine hohe Aufgeschlossenheit. Jetzt aber wird klar, was mit finanzpolitischer Bazooka wirklich gemeint war: die Sprengung der emporsteigenden freien Kultur. Zurück geht es an den Katzentisch, in die kulturpolitisch unterfinanzierte Schmuddelecke.
Das Problem geht dabei weiter als nur auf die Bundesebene. Wenn die oberste Kulturfrau so radikal die freien Künste abräumt, dann gibt sie den Ländern und Kommunen, wo Kultur ja trotz allem Gerede von der Kulturhoheit immer noch eine meist freiwillige Aufgabe ist, einen Freifahrtschein. So steht zu befürchten, dass um die festen Institutionen zu schützen, die freie Förderung hier massiv heruntergefahren wird. Während dies gerne mit den Tarifsteigerungen und höheren Kosten insgesamt erklärt wird, scheinen Vorhaben mit Mindestgagen im freien Bereich keine Lobby zu haben. Freie Kultur ist offenbar doch nicht so systemrelevant und wichtig für die Demokratie, wie es in den Sonntagsreden von Roth & Co. so gerne heißt. Dieses Signal wird auch die AfD freuen, die ja bei zu viel Zivilgesellschaft eh’ die Nase rümpft. Sie kann sich beim Streichen jetzt auf Roth als Kronzeugin berufen. Danke für Nichts.
Immerhin, es ist nur ein Haushaltsentwurf den Roth in maximaler Bückhaltung vor dem gestrengen Finanzmeister Lindner zusammenklabüstert hat. Jetzt liegt die Hoffnung bei denen, die sich erst im Juni ausführlich mit der Situation im Tanz beschäftigt haben: dem Kulturausschuss des Bundestages. Dessen Mitglieder Marco Wanderwitz, Simona Koß, Helge Lindh, Erhard Grundl, Christiane Schenderlein und auch Anikó Glowsko-Merten hatten sich dort wissbegierig und engagiert gezeigt. Jetzt können sie das erarbeitete Wissen und Verständnis umsetzen und diesen desaströsen Anschlag auf die freie Kultur abwehren. Das ist nicht nur notwendig, sondern auch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit.
PETITION an der freien Kunst zu sparen, kostet zu viel:
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