The sky is the limit
Prestigeträchtiger Ballettwettbewerb Prix de Lausanne 2024 in den Startlöchern
Schon zum 50. Mal wurde dieses Jahr der Prix de Lausanne vergeben, der unter den Ballettwettbewerben wohl zu den anspruchsvollsten der Welt gehört. Schon die Vorauswahl ist hart, nur die Besten aus aller Welt erhalten ein Ticket in die Schweiz. Blitzsaubere Technik ist dabei mit das wichtigste Kriterium.
2023 nahmen insgesamt 83 15- bis 18-jährige Kandidat*innen aus 16 Nationen teil, 44 Mädchen, 39 Jungen, jeweils unterteilt in die Altersgruppen A (15-16 Jahre) und B (17-18 Jahre). Asien stellte dabei einen besonders hohen Anteil: Allein Südkorea war mit 16 Kandidat*innen vertreten (14 Mädchen und zwei Jungen), Japan mit sieben Jungen und drei Mädchen. Aus den USA kamen sieben Mädchen und fünf Jungs, aus Australien fünf Mädchen und drei Jungs, die anderen verteilten sich auf verschiedene Länder Europas, Latein- und Südamerikas. Deutschland hatte nur eine Tänzerin ins Rennen geschickt (Sonja Bräunl vom The Graduate College of Dance in Australien). Aus Afrika war niemand dabei.
Eine Woche lang nahm eine hochkarätige Jury den Nachwuchs unter die Lupe, beobachtete sie beim täglichen Training sowie beim Coaching der von ihnen ausgewählten klassischen und zeitgenössischen Variation, und schließlich beim Vortanzen im Kostüm auf der Bühne. Insgesamt 22 Tänzer*innen kamen dieses Jahr ins Finale. Für die Vergabe der 11 Stipendien zählt aber nicht nur der Auftritt selbst, sondern genauso die täglichen Proben – wie gut nimmt ein*e Schüler*in die Korrekturen an, wie gut setzt er oder sie diese um, wie ist die technische Qualität, wie der künstlerische Ausdruck?
Präsident der Jury war dieses Jahr Jean-Christophe Maillot, Direktor der Ballets de Monte Carlo, Diana Vishneva, ehemalige Primaballerina des Mariinsky Ballett und des American Ballet Theatre (ABT), fungierte als Vize-Präsidentin. Für den kritischen Blick auf die Darbietungen sorgten darüber hinaus Sylviane Bayard, frühere Künstlerische Leiterin des Balletts der Deutschen Oper Berlin und ehemalige Erste Solistin des Stuttgarter Balletts; Julie Kent, Künstlerische Leiterin des Washington Ballet und frühere Erste Solistin des ABT; Tetsuya Kumakawa, Künstlerischer Leiter der K-Ballet Company und früherer Erster Solist des Royal Ballet; Endalyn T. Outlaw, Dekanin Tanz der UNCSA School of Dance in Winston-Salem in North Carolina (USA) und frühere Erste Solistin des Dance Theatre of Harlem; Melanie Person, Co-Direktorin der Ailey School, New York; Christopher Powney, Direktor und CEO der Royal Ballet School; Martin Schläpfer, Direktor und Chefchoreograph des Wiener Staatsballetts und Künstlerischer Direktor der Ballettakademie der Wiener Staatsoper und Christopher Wheeldon, Choreograph und Artistic Associate des Royal Ballet, London.
Die Jury hatte tatsächlich die Qual der Wahl, denn oft ließen sich bei den einzelnen Kandidat*innen kaum große Unterschiede ausmachen. Hier entschied sicherlich der Gesamteindruck, der vor Ort noch einmal ein anderer und konkreterer ist als am Bildschirm. Die begehrte Goldmedaille wurde dieses Jahr gleich zweimal vergeben: an den Spanier Millán de Benito, der auch den Preis der Zuschauer*innen im Internet bekam, und an den Mexikaner Fabrizzio Ulloa Cornejo Mexico, der auch den Preis für den besten Schweizer Kandidaten bekam (er studiert an der Ballettschule des Theaters Basel). Platz 3 ging an die Südkoreanerin Sangwon Park, Platz 4 an Julie Joyner aus den USA, die auch den Preis für das beste junge Talent bekam, Platz 5 an Seehyun Kim aus Südkorea, ebenfalls die Favoritin des Auditoriums, Platz 6 an Alecsia Maria Lazarescu aus Rumänien, Platz 7 an Ana Luisa Negrao aus Brasilien, die zusätzlich mit dem „Contemporary Dance Award“ ausgezeichnet wurde. Platz 8 ging an Keisuke Miyazaki aus Japan, Platz 9 an Emily Sprout aus Australien, Platz 10 an Guiseppe Ventura aus Italien und Platz 11 an Soo Min Kim aus Südkorea. Den Preis für die beste zeitgenössische Präsentation bekam Alexander Mockrish aus Schweden. Alle Finalist*innen erhalten eine Prämie von 1000 Schweizer Franken.
Deutlich wurde bei diesem Wettbewerb einmal mehr, wie hoch das Niveau der Ausbildung an den international renommierten Schulen inzwischen ist. Welche technischen Schwierigkeiten, vor allem in den klassischen Variationen, heute schon 15- und 16-Jährige meistern, ist atemberaubend. Dass es da am Künstlerischen hier und da noch hapert – wer will das diesen Jugendlichen verdenken? In den zeitgenössischen Stücken wird das besonders deutlich – sie fordern eine ganz andere Präsenz, einen völlig anderen Stil und auch eine spezielle Intimität als die pure Klassik. Das eine lässt sich lernen, das andere ist eine Frage von Lebenserfahrung, Mut und der Bereitschaft, sein Inneres zu zeigen. Gerade ein Wettbewerb wie dieser trägt jedoch dazu bei, diese Qualitäten entwickeln zu können.
Eine besonders schöne Tradition ist es, dass alle 24 Partnerschulen des Prix de Lausanne unabhängig von den am Wettbewerb Teilnehmenden jeweils ein*n ihrer Schüler*innen nach Lausanne schicken, um dort innerhalb der kurzen Zeit gemeinsam eine neue Kreation zu erarbeiten, die dieses Jahr wiederum von Goyo Montero stammte: „Bold“. Und es war durchaus beachtlich, was da innerhalb dieser kurzen Zeit zustande kam – ein stellenweises etwas düsteres, aber ungemein dynamisches Werk, das die verschiedenen Talente zu einem stimmigen Ganzen zusammenzubinden vermochte.
Einer der Höhepunkte des Finales war dann die Verleihung des „Life Time Achievement Award“ an Carlos Acosta aus Kuba, dessen steile Karriere nicht zuletzt mit der Goldmedaille beim Prix de Lausanne 1990 begann. Bis 2016 war er einer der Stars des Royal Ballet, bevor er sich dann nach 28 Jahren Bühnenlaufbahn in sein Heimatland zurückzog, wo er 2017 die „Carlos Acosta International Dance Foundation“ gründete, die jungen Tanz-Talenten die Möglichkeit bietet, sich zu entfalten.
Und weil es das 50-jährige Jubiläum war, gab es zum Abschluss noch eine mit internationalen Stars und ehemaligen Prix de Lausanne-Gewinner*innen bestückte Gala. Herausragend hier Alina Cojocaru und Friedemann Vogel in John Neumeiers „weißem“ Pas de Deux aus „Die Kameliendame“, Steven McRae mit einem fulminanten eigenen Czardas-Steptanz, Mayara Magri und Victor Caixeta mit dem Petipa-Grand Pas de Deux aus „Don Quixote“, Precious Adams und Eric Snyder in „This Bitter Earth“ von Christopher Wheeldon sowie Margarita Fernandes und Antonio Casalinho in Petipas „Diana und Actaeon“. Ganz großes Kino!
Auf YouTube und bei Arte Concert in der Mediathek sind die einzelnen Tage mit den Trainings und Aufführungen eingestellt.
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