Kulturerbe Tanz in Ostdeutschland

Wie geht es weiter mit der Archivarbeit zum Tanz in Ostdeutschland?

Das Podium „Kulturerbe Tanz in Ostdeutschland" suchte Antworten und fand Aufgaben.

Leipzig, 03/03/2023

Wie gehen wir um mit dem Kulturerbe Tanz in Ostdeutschland? Unter dieser Frage stand ein Podium in der Universitätsbibliothek in Leipzig, wo am Wochenende die Plakatausstellung „Einladung zum Tanz“, kuratiert von Melanie Gruß und Thomas Fuchs, zu über 100 Jahren Tanzgeschichte zuende ging. Ein Gang durch die Ausstellung lieferte bereits einen Überblick über das Thema. Da waren erste Plakate von Rudolf Laban oder Gret Palucca aus dem 1920ern zu sehen, selbstredend auch Plakate der Ballettwettwettbewerbe der DDR, von ausländischen Gasstpielen oder auch den inländischen offiziellen Kompanien. So wurde im Kampf gegen den Formalismus in der DDR 1954 das Staatliche Dorfensemble gegründet, das 1955 in das Staatliche Folklore Ensemble umbenannt wurde und parallel dazu gab es noch das Staatliche Volkskunst Ensemble. Moderner Tanz wurde jenseits des Balletts hingegen kaum gefördert, dafür gab es schöne Volksaufklärungsstücke wie das 1961 uraufgeführte Tanz- und Singspiel „Brigitte und das Schweineglück“, das die Einführung moderner Techniken in den LPGs befördern sollte. Nach 1989 dann gab es mit Figuren wie Uwe Scholz am Leipziger Ballet, aber auch durch die Gründung neuer freier Produktionsstätten, die im Falle des Festspielhauses Hellerau auch an verschütette Diskurse anknüpfen konnte, zu einem neuen Erblühen zeitgenössischer Tendenzen – wenn auch zunächst mit wenig Geld aber dafür viel Freiräumen.

Patrick Primavesi, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Theaterwissenschaft und Vorsitzender des Vereins Tanzarchiv Leipzig betonte den Begriff und Kontext Ostdeutschland, der eben über die DDR-Zeit weit hinaus reiche. Für den Tanzwissenschaftler Ralf Stabel ist der Raum sogar die Wiege des weltweiten modernen Tanzes, allerdings wisse das kaum einer, weil die Forschung hier noch in den Anfängen stände. Immerhin sind die Bestände des Tanzarchivs in einer Sondersammlung der Universitätsbibliothek gesichert, nachdem die Landeregierung ja 2009 in ihrem Sparwahn vorhatte, das Archiv einfach abzuwickeln. Die personelle Ausstattung ist allerdings minimal, es bräuchte dringend Stellen, um diese Schätze, wie der Leipziger Ballettchef Mario Schröder die Bestände betitelte, zu heben. Schröder selbst hat für seine vom Tanzfonds Erbe geförderte Inszenierung von „Pax Questuosa“ nach Uwe Scholz auf die Bestände des Archivs zurückgreifen können und ist heute noch begeistert.

Erster Schritt solle eine stärkere Vernetzung sein, etwa mit Initiativen wie der Villa Wigman in Dresden, die durch Katja Erfurth vertreten war, oder auch durch Zusammenarbeit mit den aktiven Produktionshäusern wie dem Festspielhaus Hellerau, dessen künstlerische Leiterin Carena Schlewitt betonte, dass die Erforschung und Kontextualisierung ihres Hauses noch nicht am Ende sei, sondern vielmehr Forschungs- und künstlerische Projekte sich hier befruchten könnten.

Doch es bedarf noch vieler Schritte, um etwa auf das Niveau des Kölner Tanzarchivs zu kommen, das den Bereich dominiere und die ostdeutsche Perspektive einfach nicht auf dem Schirm habe, hieß es mehrfach auf dem von Michael Freundt, Geschäftsführer Dachverband Tanz Deutschland, moderierten Podium. „Bis jetzt hat uns noch keiner nach Geld gefragt“, stellt Britta Kaiser-Schuster, Dezernentin Kulturstiftung der Länder, nüchtern fest, was vielleicht nicht gerade als Wink mit dem Zaunpfahl, aber doch als Angebot zum Gespräch gewertet kann, zumindest über Projektfinanzierungen doch einmal nachzudenken. Die Unibibliothek, bei der die Bestände mittlerweile in Obhut sind, sieht sich immerhin gewappnet. Thomas Fuchs, Leiter der Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Leipzig, betont, dass man bereit sei, diese Arbeit zu leisten, aber natürlich auch im Bereich der Erschließung und Digitalisierung entsprechende Mittel bräuchte. Digitalisierungsprojekte, gerade auch des umfangreichen Bewegtbildmaterials laufen bereits.

Allerdings, auch das eine Idee des Podiums, wäre jetzt auch ein guter Moment, um Zeitzeugen zu befragen und evtl. vorhandene Privatbestände aus der Wendezeit zu sichern. Der zu frühe Tod von Julius Skowronek vom Projekttheater Dresden zeugen von der Notwendigkeit eines solchen Vorhabens. Schätze zu heben, gibt es im Grunde genug, aber die Expeditionen müssen noch zusammengestellt werden. Keine leichte, aber sicher eine lohnende Aufgabe.

https://home.uni-leipzig.de/tanzarchiv/de/intro/

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