Ballett-Matinee der John Cranko Schule, 2022

Applaus und Jubel für den Nachwuchs

Die Ballett-Matinee der John Cranko Schule in Stuttgart

Die Schüler*innen der Stuttgarter Ballettakademie begeistern in einer stürmisch gefeierten Matinee im Stuttgarter Opernhaus.

Stuttgart, 12/07/2022

Keine Bange, das Ballett lebt, und wie! Von wegen, überholte Kunst von gestern. Wie der Tanz sein kann - natürlich in großer Liebe zu dieser Kunst in ihren vielen Facetten - das zeigen die Schüler*innen der Akademien A und B der Klassen eins bis sechs und auch die Kleinsten der Vorschule in der nun nach corona-bedingter Zwangspause wieder stürmisch gefeierten Matinee im Stuttgarter Opernhaus.

Und es beginnt ganz klassisch. Wie die Mitglieder der Akademien A & B Leonid Lawrowskys Choreografie zur 1. Sinfonie von Sergei Prokofjew, in musikalischer Anlehnung an Haydn und Tschaikowsky auch „Die Klassische“ genannt, tanzen, das ist einfach große Klasse! Und dies vor allem, weil die hier unverzichtbare Exaktheit der Techniken des klassischen Tanzes in geradezu verblüffender Selbstverständlichkeit zu erleben ist und sich somit den jungen Tänzer*innen in den unterschiedlichen Varianten der vier Sätze beste Möglichkeiten tänzerischer Kommunikation eröffnen.

Mit zwei Choreografien wird John Cranko, dem Gründer dieser international hoch geachteten Ballettausbildung vor nunmehr 51 Jahren, gebührende Ehre erwiesen. Es wird heiter, und es ist höchst erfreulich zu erleben, wie die drei Tänzer*innen, ebenfalls der Akademie A & B, zur Musik von Darius Milhaud Crankos Miniatur „Salade“ so individuell wie augenzwinkernd sich aufschwingen lassen. Es wird noch schräger, wenn in der zweiten Runde aus „Jeu de Cartes“ zur Musik von Strawinsky es den wunderbaren fünf Herzbuben doch nicht gelingen will, den aberwitzigen Joker aus diesem Spiel des Tanzes mit vielen seiner Techniken auszubremsen, die hier aber völlig aufgehen in der Kraft des so individuellen wie höchst persönlichen Humors der jungen Tänzer, deren Sprung in die Zukunft wohl nichts im Wege stehen dürfte.

Natürlich, ein klassischer Pas de deux gehört in das Programm dieser Matinee, da darf man sich schon mal so richtig verzaubern lassen beim Adagio an dem zweiten Akt des Balletts „Schwanensee“ in der originalen Choreografie von Lew Iwanow. Vier Jungen der Klasse 5 stellen sich mit Erfolg den Anforderungen einer Étude von Leonid Zhdanov zu Musik von Joseph Haydn und fünf Mädchen der Klassen 5 & 6 haben sichtbaren Spaß an der Spitzenparade zur „Polka Pizzicato“ von Johann Strauß in der Choreografie von Valentina Ziruljowa.

Nach der Pause dann ein grandioser Auftakt: Pas de quatre aus „Abdallah“ von August Bournonville mit drei Tänzerinnen und einem Tänzer der Akademie A. In diesem heute kaum mehr bekannten Ballett widmete sich Bournonville dem seinerzeit modischen Orientalismus. Im hier getanzten Ausschnitt mit humoristischen Anklängen an das Motiv des passenden - oder nicht passenden - Schuhs verschiedener Cinderella-Variationen darf man ganz begeistert staunen. Staunen, wie umfassend die Grundlagen der Ausbildung dieser Stuttgarter Schule sein müssen, wenn es gelingt diesen besonderen Ansprüchen der sog. „Bournonville-Technik“ sehr nahe zu kommen. Diese schwebende Leichtigkeit der raschen Schritte und die Sprungtechniken knapp über dem Boden wollen gekonnt sein – und sie können es!

Berührend ist eine Hommage an Uwe Scholz mit kurzen Ausschnitten aus seiner Kreation „Die Schöpfung“, als Pas de deux und in der Gruppe getanzt - noch einmal eine Referenz an die unverzichtbaren klassischen Grundlagen. Hier aber, eben ganz wichtig für die Arbeiten von Scholz, die Aufnahme der Musikalität, um dann den Fluss der Melodik in den Klang der Bewegung des körperlichen Ausdrucks übergehen zu lassen. Und schon öffnet sich der tänzerische Raum zum Übergang in die Möglichkeiten des zeitgenössischen Balletts. Wenn die Grundlagen da sind - wie es hier zu erleben ist - dann steht den Varianten der Moderne nicht im Wege.

„Drifting Bones“ heißt eine Kreation von Alessandro Giaquinto, Tänzer beim Stuttgarter Ballett, für acht Tänzer*innen der Akademie A. Schon musikalisch setzt der Choreograf richtungsweisende Akzente, wenn er Musik von Johann Sebastian Bach in einen Dialog führt mit Songs der Grand Dame des Jazz-Gesanges, Norma Winstone. Diese Choreografie besticht durch die spürbare Kunst des Überganges, aber auch immer wieder durch die des Zusammenhanges. Giaquinto eröffnet Wege in die Zukunft, gewissermaßen in die Anforderungen folgender Engagements, nämlich kraft des individuellen Ausdrucks auch zeitgenössischen Ansprüchen nicht nur zu genügen, nein sie in vielen Varianten höchst lebendig werden zu lassen.

Die Jüngsten lassen sich feiern in Ausschnitten aus Demis Volpis Varianten des unsterblichen „Karnevals der Tiere“, da kommen die Küken der Klasse 1 ebenso gut an, wie die Schülerinnen höherer Stufen mit ihren wellenförmigen Armvariationen im „Aquarium“.

Mit dem anspruchsvollen Solo „Woman“ zu einem Song des Duos Rhye von Catherine Lawellen & Brian Stevens für eine Tänzerin der Akademie A ist diese Matinee ganz klar angekommen in den Bereichen des zeitgenössischen Balletts und so bestätigt es sich noch einmal in beeindruckender Weise: wenn die Grundlagen stimmen, dann sind der Weite der Spektren dieser Kunst des Tanzes so gut wie keine Grenze gesetzt.

Als Geste der Solidarität tanzen elf ukrainische Gastschüler*innen als Uraufführung von Oksana Panchenko zu Volksmusik aus der Heimat, ganz in folkloristischer Tradition, einen „Gopak“, wobei die Sprünge der beiden Tänzer besonders beeindrucken.

Und zum Finale, anders geht es ja nicht, die Abfolge der Étuden, alle sind vertreten, am Ende dann die kraftvollen Sprünge in die Zukunft, denn um die ist es nicht schlecht bestellt für die 23 Absolvent*innen des Jahrganges 2021/2022. Alle haben Engagements, allein sieben beim Stuttgarter Ballett, andere werden in Portugal, China, Estland, Tschechien oder Schweden tanzen. Drei von Ihnen werden künftig in Dortmund, Chemnitz und Magdeburg zu erleben sein.
 

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