„Asphaltwelten“ von go plastic company

My Home is no Castle

Wiederaufnahme von „Asphaltwelten“ der go plastic company in Dresden Hellerau

I’m out: Acht Performer*innen auf dem Weg von der metaphorischen zur tatsächlichen Unbehaustheit

Dresden Hellerau, 16/07/2022

Das Areal vor dem Festspielhaus Hellerau ist zwar bei weitem nicht so gemütlich wie der Garten dahinter, aber mit seiner breiten, flach auslaufenden Vortreppe und jeder Menge Raum ideal für Open air Performances geeignet. Vorausgesetzt, man verbannt alle Autos vom Platz. Ganz ohne Blechkarossen lässt es sich zwischen Ost- und Westflügel ohnehin viel besser atmen. Und sein. Desto stärker wirkt der Einsatz zweier bewusst platzierter Autos, die Teil der Performance sind, hier aber konsequenterweise wie Fremdkörper wirken.

Diesen „Raum“ nutzt die Dresdner go plastic company unter künstlerischer Leitung von Cindy Hammer und Susan Schubert noch einmal für den dritten Teil ihrer „Asphaltwelten“-Studie, die gleichzeitig die Bedingungen von Outdoor-Performances und die Ästhetik menschlicher Unbehaustheit im Wortsinn befragt. Was machen vier Wände um uns herum mit uns? Wer sind wir, wenn ein Schutzraum wegfällt? Welche Art von Umgebung definiert uns?

Acht Performer*innen stürzen sich mit sichtbarer Verletzbarkeit in dieses Experiment: Alle tragen blütenweiße Kostüme, die natürlich nur eine gefühlte halbe Sekunde lang so unschuldig rein bleiben. Das war’s dann auch schon. Bergab geht damit aber nichts. Einfach frisch, fromm und fröhlich rein ins Vergnügen. Genau das ist es nämlich. Den räumlichen Fokus bildet eine Anordnung von, sagen wir, aufblasbaren Hüpfburgen, die in ihrer leicht bunten psychedelischen Anmutung in Baustein-Optik irgendwo zwischen überzogen-hippem Lounge-Möbel, therapeutischem Fluchtort und nicht ganz ernst gemeintem Kunstobjekt changieren. Damit kann man machen, was man will. Also werden diese Dinger wild erobert. Da spielt es keine Rolle, ob die gerade aufgeblasen sind oder nicht. Caroline Beach klammert sich an ihre Handtasche, mit der sie auch mal ordentlich austeilen kann. Und Rika Yotsumoto nimmt ihren Schirm derart wichtig, als wollte sie dem berühmtesten Kindermädchen aller Zeiten Konkurrenz machen, während Steph Quinci allen Ernstes versucht, mit allen Kräften das Festspielhaus zu verschieben. Really Queen? Wir tragen ganz klar alle unser Bündel.

Die akustische Untermalung von David Le Thai, die zwischen den Häuserwänden wunderbar lässige Echoeffekte hin- und herpendeln lässt, beginnt zwar mit einem tiefgründigen Brummen, kippt aber im Lauf der Performance immer wieder in seichte Upbeat-Nummern um, die zu banalen Gruppensynchronisationen verlocken. Würde man nicht genau hinschauen, man könnte das glatt für hohlen Blödsinn halten. Dabei ist man als Zuschauer aber gerade wegen der räumlichen Situation dazu herausgefordert, wirklich und ganz ernsthaft Position zu beziehen: Mal stürmen die Performer*innen im Pulk geschlossen quer über den Platz und lassen die Besucher wie eine überforderte Herde Schafe am anderen Ende stehen. Oder sie brechen einzeln aus, suchen sich ihren eigenen Ort, sodass offen ist, wohin man blicken, aber vor allem, wohin man gehen möchte. Obwohl es keine räumlichen Barrieren zwischen Performer*innen und Publikum gibt, traut sich kaum jemand nah heran. Vielleicht ist das nicht nur Konvention, vielleicht liegt es auch an der Impulsivität der Aktion. Dabei zeigt es sich als besonders aufschlussreich, das Publikum selbst zu beobachten, das hier zu den Bausteinen eines unklaren Raumes wird.

So viel Nonsense sich im Bewegungsvokabular oder in den englischen Texten mit kalauernden Wortspielen auch finden, es gilt hier, die besonderen Momente nicht zu verpassen, wenn die körperlichen Ausdrucksformen ganz klar ins Künstlerische „erhoben“ werden. Sei es eins der beeindruckend kraftvollen Soli von Joao Pedro De Paula oder einfach nur der verwirrend bedrohliche Blick von Cat Jimenez, mit dem sie sich ganz langsam durch die Besucher schneidet.

Was heißt diese Inbezugsetzung schlussendlich? Dass wir alle „Wände“ sind, Grenzen? Oder gerade eben nicht? Auf jeden Fall scheint eins klar zu sein: Wir sind beweglich. Das hat sich am Ende gezeigt, als der Groove auf die Besucher übergegangen war und die deutlich „Ergrauten“ irgendwo im Hintergrund verschwunden sind. Und wer mitgrooven will, hat dazu am 18. August in der Tanzfaktur Köln die Gelegenheit dazu.

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern