„Dark Meadow Suite“ von Martha Graham, Tanz: Caetana Silva Dias, Ensemble

Mit Kraft und Tempo durch die Zeit

Choreografien von Martha Graham, Antoine Jully und Jacopo Godani in Oldenburg

Die BallettCompagnie Oldenburg zeigt in ihrem neuen dreiteiligen Ballettabend mit „Dark Meadow Suite“, „Su una nota sola“ und „ A.U.R.A.“ drei unterschiedliche Choreografien aus verschiedenen Zeiten und Richtungen des Tanzes.

Oldenburg, 05/11/2018

In Martha Grahams „Dark Meadow Suite“ erscheinen zuerst die Frauen in langen Röcken mit großen grafischen Mustern in ocker-orange, weiß und schwarz. Barfuß geben sie mit Füßen und Händen den Takt an, tanzen folkloristisch anmutend im Kreis, während eine Solistin im Vordergrund agiert. Ihre Bewegungen sind formal, wie an geometrischen Gebilden und Linien orientiert.

Oft wechseln die Bewegungen des Ensembles ins Symbolhafte, erinnern an verschiedene, auch vergangene Kulturen. Man erkennt ägyptische Statuen, hinduistische Götterposen, Yogahaltungen, dann wieder afrikanisch anmutende Bewegungen; Tanzenergie, die sich über die Füße immer wieder rhythmisch Richtung Erde orientiert.

Männer kommen dazu. Sie tragen knappe kurze Hosen im selben Farbspektrum der Frauenkleidung. Doch erinnern diese an Unterwäsche mit Hosenträgern, was einen skurrilen Eindruck erweckt. Verschiedene Variationen von Halten, Tragen und Getragen werden bilden aus einzelnen Individuen immer wieder Figuren. Doch obwohl die Choreografie, die 1946 in New York uraufgeführt wurde, auch von Tadej Brdnik von der Martha Graham Dance Company in New York überzeugend einstudiert wurde, wirkt sie heute formal-steif und etwas überholt.

Grahams flirrende rhythmische Art der Schrittfolgen scheint dem Ensemble noch in der zweiten Arbeit des Abends, in Antoine Jullys „Su una nota sola“, im Körper zu stecken. Nach der Musik des italienischen Komponisten Giacinto Scelsi, in der er vier Stücke auf nur einer Note kreierte, beschäftigt sich Jully mit einer der wohl mächtigsten biblischen Geschichten, der von Adam und Eva. Dabei schaut er von zwei Seiten auf diesen Mythos: zum einen auf die Schuld der Frau am Elend der Welt, die sie angeblich durch den Biss in den Apfel auf sich gezogen hat. Zum anderen auf die Legende, sie sei aus der Rippe des Mannes entstanden, was ihre bis heute untergeordnete Stellung in der Gesellschaft rechtfertige. Jully hat sich auf die Gefühle der Frauen in diesem Zusammenhang konzentriert und versucht diese gewohnt erzählerisch darzustellen.

Sein zudem oft spielerischer Umgang mit dem Innehalten zeigt sich in seiner neuen Choreografie besonders im Bühnenbild. In seinem Garten Eden gibt es Elefanten, Giraffen, Steinböcke und andere Wesen. Männer und Frauen tragen die gleichen dunkeltürkisfarbenen Kleider und alles wirkt, als ob man durch einen traumhaft blauen Filter blicken würde. Nur Eva trägt Spitzenschuhe und tanzt ein ebenso kraftvolles, irdisch-sinnliches wie beinahe wütend-ungeduldiges Solo. Ein Apfel sinkt an einem langen Faden auf die Bühne. Eva ergreift die Gelegenheit, beißt hinein und schon wird das Paradies zur unheilvoll brodelnden Unterwelt.

Antoine Jully hat sich mit der Genesiserzählung an ein großes Menschheitsthema in Zeiten neuer Gender-Diskussionen gewagt. Auf der Bühne sehen wir nun von Frauen getanzte Angst, Wut und Verzweiflung. Immer wieder neue Evas die von der Männerwelt neugierig bedrängt, bedroht, unterjocht werden. Befreiungsversuche sind zwecklos in der blauen Unterwelt. Ein Leben in Kampf, Aufruhr und immer unter Spannung – genau wie die Bewegungssprache dieser etwas befremdlichen Choreografie. In einer widersprüchlichen Mischung aus verspieltem Märchen und sperrigem Inhalt will sie sich einem nicht so ganz erschließen. Vielleicht zeigt sie aber auch nur die dramatische Realität unserer Welt und der Grenzen der Geschlechtergleichheit.

Auch wirkt Jullys neues Stück etwas eingeklemmt zwischen der Graham-Choreografie aus der Modern Dance-Ära und dem dynamischen Godani-Stück am Ende. Eine eigene Sprache zu erarbeiten, während gleichzeitig zwei weitere Stücke von unterschiedlichen Choreografen einstudiert werden, ist eine große Herausforderung, auch wenn das der Kompanie sicherlich viele Anregungen bietet. Immerhin meistert die Truppe diesen Abend auf hohem Niveau. Dennoch wäre es schade, diesen hochmotivierten, kraftvollen und wandlungsfähigen Schatz aufgrund der Bandbreite eines Abends zu verheizen, anstatt daraus einen aufregend-eigenen „Oldenburger Stil“ zu kreieren.

„Kunst kann nur gedeihen in vollkommener Freiheit. (…) Der Künstler muss als Künstler Anarchist sein.“, steht im Programmheft zur dritten Choreografie des Abends – ein bezeichnendes Zitat von Kurt Eisner. Jacopo Godanis Choreografie „A.U.R.A.“, einstudiert von Nora Sitges-Sardà, zeigt eine hochlebendige Utopie. Zu der elektronischen Musik von „48nord“ tanzt das komplette 13-köpfige Ensemble. Wieder geht es schnell und rhythmisch zu. Wunderbare Gruppenchoreografien, aus denen sich überzeugende Solos, Duos, Trios, Quartette herauslösen und wieder in der Gruppe verschwinden.

Alles ist hier im Fluss. Wie ein großer pulsierender Körper bewegt sich das Ensemble über die Bühne. Der Gegensatz zwischen den rhythmisch harten, elektronischen Klängen und den schnellen fließenden Bewegungen ist hochmodern und ein Abbild unserer Gesellschaft, in der sich Mensch und Maschine in einer sich gegenseitig flirrend hochschraubenden Beziehung befinden. Godani setzt sich besonders mit der befreienden Kraft der Kunst auseinander, die einige Tänzer*innen in ganz eigenen Bewegungen zeigen. Das ist alles extrem begeisternd, was es dem Publikum schwer macht, auf den Stühlen zu bleiben.

 

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