„Cyclamen brennen“ von Christina Liakopoyloy

„Cyclamen brennen“ von Christina Liakopoyloy

Was nicht auf Abstand gehalten werden kann

Das Nostos Tanztheater präsentiert „Cyclamen brennen“ in Mannheim

Hochaktuell ist dieses Stück von Christina Liakopoyloy. Da stellt sich unserer Kritikerin die Frage, ob sich Themen wie Flucht und Vertreibung, Heimatlosigkeit und Fremdsein heute überhaupt auf den Punkt bringen lassen.

Mannheim, 10/03/2016

Im neuen Stück vom Nostos Tanztheater der in Heidelberg ansässigen Choreografin und Tanzpädagogin Christina Liakopoyloy werden Grenzen ausgeleuchtet. „Cyclamen brennen“ nennt sie ihr Werk, in dem es um Migration, neue Lebenswege, Liebe und das innere Exil geht. Entwurzelte Menschen unterschiedlicher Herkunft treffen in verschiedenen Episoden aufeinander. Sie alle treibt die Sehnsucht nach einer Heimat um. Während die Einen für die Aneignung des Fremden offen sind, macht sich bei den Anderen ein latenter Rassismus bemerkbar. Am Ende steht die Katastrophe.

Cyclamen sind Pflanzen, deren Knollen auch ohne Erde und Wasser austreiben können. In deutschen Gefilden gehört das Europäische Alpenveilchen zu dieser wahrscheinlich eingewanderten Pflanzenart. Für die gebürtige Athenerin Christina Liakopoyloy ist diese Blume Sinnbild für Flucht oder Vertreibung. Wenn die „Cyclamen brennen“, versteht die Künstlerin das nicht nur als Metapher im übertragenen Sinne, sondern auch und vor allem ganz konkret. Wie aber lassen sich im Hinblick auf die Ereignisse in der Welt und die Geschehnisse in Deutschland Flucht und Vertreibung, Heimatlosigkeit und Fremdsein sowie Gewalt und Rassismus in einem Stück auf den Punkt bringen? Gar nicht, muss die Kritikerin in diesem Fall antworten. Denn die Absicht der Choreografin, uns eine Vorstellung von dem zu geben, was gerade passiert, kann nicht ins Schwarze treffen. Und der Grund dafür liegt in der Nähe zu den Ereignissen, weil wir alle keinen Abstand haben und den auch in nächster Zeit nicht gewinnen können.

Also sitzen wir ganz nah dran an der kleinen Mannheimer Theaterbühne im tig7 und sehen einen Mann und eine Frau aus Albanien, eine deutsche Touristin auf einer griechischen Insel, auf der ein Flüchtling aus Syrien Backwerk verkauft, einen deutschen Eventmanager und eine ihm hörige Fotografin; und wir sehen einen Maskierten, der einmal als Gefängniswärter und ein anderes Mal als Brandstifter erscheint. Im Fortschreiten von „Cyclamen brennen“ wird der Albaner seine Frau von der Außenwelt abschotten, ihr ein Kind machen und sich selbst damit zu einem heimatlichen Ort verhelfen. Auf der Insel Kos wird die Touristin dem syrischen Flüchtling nach Deutschland verhelfen, ihn heiraten und damit sich und ihm ein zweifelhaftes Glück bescheren. Der Eventmanager vollendet Dank seiner ehrgeizigen Fotografin die geplante Ausstellung mit ästhetischen Ansichten zum Leben der Flüchtlinge. Während der Maskierte den Flüchtling zusammenschlägt und das Haus der Albaner anzündet.

Zusammengesurrt auf diese Reihung, ließe sich hier viel Humor, Ironie oder Sarkasmus vermuten. Aber dazu ist das Thema natürlich zu ernst. Es ist brandneu und brennt, wie die Cyclamen. Und die Künstlerin ist, wie alle Zuschauer auch, zu nah dran.

Weitere Vorstellungen am 17. und 18. März im Tikk Theater Heidelberg
 

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