Nachwuchspräsentation

Pick bloggt: Staatliche Ballettschule Berlin und Akademie des Tanzes Mannheim

Während Gregor Seyfferts „Kleiner Prinz“ die angehenden Tanz-Künstler seiner Ballettschule überfordert, statt einen Querschnitt ihres Könnens zu zeigen, haben Birgit Keils Zöglinge in Mannheim Spaß mit Flamenco und wilder Balkan-Tanzerei.

Berlin / Mannheim, 07/04/2015

Als „Der kleine Prinz“ in Dessau entstand und ich keine Gelegenheit hatte, das Stück dort zu sehen, habe ich das sehr bedauert, ja mich regelrecht geärgert. Nun hat der Choreograf und Direktor der Staatlichen Ballettschule Berlin Gregor Seyffert es wiederaufgenommen und im Rahmen der jährlichen Schulaufführungen auf der Bühne des Schillertheaters dankbaren Berlinern angeboten.

Heranwachsende sind aber keine Profis und der Stoff ist kein (Kinder!)-Märchen, sondern im höchsten Grade poetisch. So sind sie leider weit weg vom Verständnis der diffizilen Zusammenhänge der die Rollen bedürften wie die Auswahl der Musiken es ist, die das Stück trägt. Da wechseln Bach, Prokofjew und Satie, in der Minderheit mit Film- und Popmusik und lassen mich fragen: Ist es nicht Aufgabe dieses Instituts, angehenden Tanz-Künstlern auch musikalisch ein Verständnis mitzugeben, welchen Wert unser kulturelles Musik-Erbe bedeutet, und dass Bach mit tralala nicht geht? Sonst begeben wir uns in die Nähe von Eiskunstlauf und Varieté.

Allenfalls durch einen Musiker oder besser durch die Mitarbeit eines Komponisten könnte ein neues Kunstwerk entstehen. Diese Aussage ist mir besonders wichtig wegen der Jugendlichen, aber ich halte sie auch aufrecht für den ganz allgemeinen Umgang unserer Zunft mit dem Werk – sowohl der Komponisten, die sich nicht mehr wehren können, als auch derer, deren Werk in Zusammenhänge gesetzt wird, die sie nicht verdient haben und nicht ahnen können. Die einen würden im Grab horizontale Pirouetten drehen, die anderen vor Gericht gehen, wenn die GEMA nicht nur die Summen eintreiben würde, sondern über den künstlerischen Zusammenhang zu berichten hätte!

Diese Sünden haben uns die technischen Wiedergabemöglichkeiten beschert und den ganz allgemeinen Umgang mit Musik verroht, d. h. ein Verständnis für integren Umgang mit einer unserer wertvollsten künstlerischen Errungenschaften und deren Schöpfern, die vor allem andere Künstler zu beachten hätten und solche, die es als „Junge Choreografen“ werden wollen.

Musiker haben in ihrer Ausbildung gelernt, dass Wort und Notierung der Kompositionen der Interpretation einen engen Rahmen setzt, was auch zu Diskussionen unter den Interpreten und Rezeptoren führt, und erst recht mit Ballettstars aber auch Sängern, die noch eine Balance, Pirouette oder eine Fermate brauchen. Aber das ist ein ganz anderes Thema und bringt mich wieder zurück zu Schulaufführungen der Staatlichen Ballettschule. Muss es nicht Sinn einer solchen Aufführung sein, in erster Linie die Kandidaten der Abschlussjahrgänge zu präsentieren?

Als ich in der Pause die beiden Vertreter der ZAV Tanz (Hamburg und Leipzig) traf und sie sich darüber unterhielten, dass sie diese Kandidaten auf der Bühne vergeblich gesucht hätten, hat mir das natürlich noch mehr zu denken gegeben. Und ich persönlich muss dann doch sagen, dass eine Aufführung einen Querschnitt dessen bieten sollte, was das Institut während des Jahres erarbeitet hat aus den Sparten Klassik, Moderne und – mir sehr wichtig – Folklore. Dazu gehört auch die Förderung des Nachwuchses im Sinne der eigenen Kreativität mit ausgewählten eigenen kleinen Arbeiten als Label der Ausbildung. Ein Abendfüller hingegen ist dafür leider höchst ungeeignet!

Alle diese Einwände gegen den armen kleinen Prinzen treffen beim Schulabend der Mannheimer Schule im Großen Haus des dortigen Nationaltheaters nicht zu. Dort musste die Leiterin Birgit Keil allerdings bei einer Matinee dieses Pensum in zwei Stunden durchziehen. Zu merken war das allenfalls daran, dass einige der kleinen Eigenarbeiten der Studierenden musikalisch gekürzt waren, was auch diskutabel wäre.

Den Anfang machte, makellos getanzt, das Entrée der Feen aus Dornröschen mit ihren Partnern und anschließenden Soli, gefolgt von einigen zeitgenössischen Soli und Duetten der jungen Kreativen, aber ich müsste lügen, wenn mir davon etwas in Erinnerung geblieben wäre. Das Pausen-Finale, Alexandre Kalibabchuks „Ein Zigeunerlager“, war geschickt platziert und eine wunderbar wilde Tanzerei mit verschiedenen Folklore-Einflüssen, vor allem aus den Balkanländern und Russland. Nach der Pause kam eine Choreografie von Florian Lochner, die allerdings so gepflegt war, dass sie mich auch nicht bleibend beeindruckt hat. Darauf folgte, wie meist in Mannheim, etwas Spanisches. Diesmal gab es einen Flamenco-Sevillana-Mix von Christine Neumeyer zu Live-Gitarre, was den Studierenden fast so viel Spaß zu machen schien wie mir als Zuschauer.

Den Abschluss bildeten Brahms Ungarische Tänze als „Suite Sportive“ von Ralf Jaroschinski, die so schön war und so gut den Fußballplatz einfangen konnte mit Cheerleadern, der „Bank der Trainer“ zur Erholung und den stöhnenden Racket-Stars, dass das Publikum gern noch zehn Minuten um ein da capo applaudiert hätte. Leider stand da die (Bühnen-)Technik schon in den Startlöchern für die Abendvorstellung. Vielleicht kann die Disposition des Nationaltheaters mal ein wenig mehr Zeit herausschinden, schließlich machen die jungen Leute das NUR einmal im Jahr und so eine Vorstellung sucht ihresgleichen. Einmal mehr ein Bravo, Birgit und allen Mitstreitern der Akademie!

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