Ohne Stillstand – die Zukunft im Auge
Jessica Iwanson und der zeitgenössische Tanz in München - 75 Jahre und ein Festakt
Als ich zu Jessicas rundem Geburtstag eine Einladung erhielt und fest vorhatte, ihr meine Reverenz zu erweisen, kam im letzten Moment etwas dazwischen. Daher bin ich umso froher, dass ich der Einladung zum 1. Mai endlich folgen konnte und unsere Wiederbegegnung – wir kennen uns, seit sie hier in München auftauchte, ihre Kompanie und das Studio am Gärtnerplatz gründete – war, wie wenn das erst gestern gewesen wäre. Damals in den 70er Jahren war ich in Ulm Ballettchef und einer meiner Solisten aus Südafrika, Max Tichauer, gastierte in einem ihrer Tanzabende. Als ein Tänzer von ihr krank wurde, kam ich zu dem zweifelhaften Vergnügen, einzuspringen – wie jeder weiß, ist es besonders aufregend ein Stück in einer Probe zu lernen und dann die Vorstellung zu machen. Es ist zwar fast 40 Jahre her, aber die Art wie Jessica choreografierte, kam mir sehr entgegen und da das Stück ein heiteres, komisches Sujet hatte, konnte ich mich sogar ein wenig amüsieren. Das ist der richtige Übergang zu dem Abend, der vor ein paar Tagen im Orff-Saal im Gasteig im Rahmen des Festivals „Licensed to Dance“ über die Bühne ging, und eben mit einem solchen Stück von Jessica endete. Riesenapplaus und Da capo, wie es sich gehört, auch nach 3 Stunden!
Ihr zweites Stück, ein kurzes Duett (für drei Personen), das sich mit „Bernanda Albas Haus“ auseinandersetzt, hat mich am meisten berührt. Ein wenig Atmosphäre von Ingmar Bergman und Mats Ek zeigen deutlich die Verwandtschaft und wes Geistes Kind auch Jessica ist. Ansonsten gab es noch neun andere Chorografien von denen mir „... meanig very wise“ von Minka-Marie Heiß als interessant und „Visible Darkness“ von Patrick Delcroix im Gedächtnis blieben, sowie Peter Mikas „Dawn“. Die Choreografie von Jochen Heckmann, die überflüssigerweise von der Moderatorin Nina Forgber „als besonders schwierig“ angekündigt wurde, erwies sich dann auch als solches, was bei mir die Frage aufwarf, ob vielleicht ein etwas kürzeres Programm intensivere Proben und mehr Präzision ermöglicht hätte?
Dann gab es ein Stück von Johannes Härtl, das laut Moderation als Hommage an Pina Bausch gedacht gewesen war, was mit besagter Künstlerin so viel zu tun hat, wie die Kuh mit Sonntag. Weder Nadine Gerspacher noch Isabel Blums Stück haben einen Eindruck hinterlassen, den Tiefpunkt hatte der Abend mit Katja Wachters Beitrag „Support Group“, das einfach peinlich war – dafür bräuchte sie weit mehr als zwei Krücken. Das ist nicht den Performern zuzuschreiben, sie gaben alles, und wenn Stücke Substanz haben, kommt von den Absolventen auch viel über die Rampe. Wunder sollte man aber von ihnen nicht erwarten. Die 15 Tänzerinnen und immerhin fünf Tänzer stehen ja am Anfang davon, Profi zu sein. Was bedeutet, dass noch viel zu lernen bleibt, und dies nun die Praxis bringen muss. Aber Jessica kann man bescheinigen, dass ihr Institut eine gute Basis gelegt hat und es liegt an den meist nicht so jungen Leuten, sich jetzt auf eigenen Füßen stehend, die innere und dummerweise die sichtbare Balance zu beweisen. Ich wünsche allen Toi, toi, toi für ihren Weg.
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