„Alle 4 Minuten“ der Kompanie HeadFeedHands

„Alle 4 Minuten“ der Kompanie HeadFeedHands

Angst essen Logik auf

Tanzbiennale: „HeadFeedHands“ lassen was Phantastisches passieren

Gavin Webber hebt in „Alle 4 Minuten“ die Gesetze von Logik und Schwerkraft vorübergehend auf: Fünf zusammengewürfelte Protagonisten an einem tristen Un-Ort, einem Bahnhof im Nirgendwo, stülpen unerwartet ihr Inneres nach außen.

Heidelberg, 02/03/2014

Die Episode der Freiburg-Heidelberger Tanzkooperation „pvc“ war ein eher düsteres Kapitel in der Geschichte des Tanzes im Stadttheater. Zu den wenigen Glanzlichtern in dieser Zeit gehörten die Stücke von Gavin Webber, in denen simpler Realismus unter hohem Körpereinsatz, aber mit psychologischer Finesse lustvoll aufgelöst wird – um tiefer liegende, komplexe Wahrheiten zu zeigen.

Beim Tanzbiennale-Gastspiel der jungen Kompanie „HeadFeedHands“ aus Freiburg bot sich noch einmal die Begegnung mit der Arbeit des Australiers. Zusammen mit seiner Partnerin Kate Harman hob er in dem gemeinsam konzipierten und inszenierten Stück „Alle 4 Minuten“ die Gesetze von Logik und Schwerkraft vorübergehend auf: Fünf zusammengewürfelte Protagonisten an einem tristen Un-Ort, einem Bahnhof im Nirgendwo, stülpen dabei unerwartet ihr Inneres nach außen.

Eine Kabine mit Passbild-Automat, Sitzbänke und ein plötzlich qualmender Papierkorb, ab und zu eine absurd-beruhigende Lautsprecheransage – so banal ist die Kulisse für ein Zusammentreffen auf Tod und Leben. Ein smarter Broker, ein verklemmter Büroangestellter, ein aggressiver Waffennarr, ein verklemmter Surfbrett-Liebhaber und eine Möchtegern-Femme fatale machen sich hier eben mal das Leben ein kleines bisschen zur Hölle. Dazu brauchte es nur ein paar unangenehme Überraschungen, ein paar nach außen getragene Ängste und Projektionen.

Wenn dem Fotografierwilligen plötzlich die Angst in Gestalt eines roten Kapuzenmannes ganz real im Nacken hockt, der verklemmte Büromensch die typische Opferrolle geradezu provoziert, eine erotische Attacke in eine wilde Verfolgungsjagd umschlägt – dann ist Gavin Webber in seinem Element. Es ist das Tier im Menschen, das ihn interessiert, das quasi animalische Verhalten, das sich in Extremsituationen zeigt.

„HeadFeedHands“ ist so etwas wie ein zeitgenössische Clownstruppe, die mit akrobatischen Höchstleistungen, expliziter Körpersprache und hübschen Tricks alle Extremsituationen gekonnt in der Schwebe hält. Der Waffennarr exekutiert alle Übrigen lustvoll per Zeigefinger-Schießen, aber anschließend erheben sie sich unverletzt aus den imaginären Blutlachen - und es darf weiter gestaunt, gelacht und erstaunlich viel nachgedacht werden. So spannend, so gescheit, so lustig kann aktuelles Tanztheater sein.
 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern