„automatisch – idiotisch – als ob – genau“ von Lisa Hinterreithner und Julius Deutschbauer 

„automatisch – idiotisch – als ob – genau“ von Lisa Hinterreithner und Julius Deutschbauer 

Die Arithmetik der Kreativität

Lisa Hinterreithner und Julius Deutschbauer performen in der Sommerszene Salzburg

Überall stehen Artefakte. Eine geschmackvoll arrangierte Sammlung und wohlfeile Galerie-Szenografie der Performance „automatisch – idiotisch – als ob – genau“ beherbergen die „Kavernen 1595“.

Salzburg, 30/06/2014

Überall stehen Artefakte. Eine geschmackvoll arrangierte Sammlung aus einer mit A4-Zettel bestückten Leinwand, einem Fahrrad mit Nebelmaschine, einem Fernsehmonitor, einer Männerunterhose, sowie Drucker, Diaprojektor, Mikrofon, Furzkissen, Nähmaschine und mehr. Die Kavernen 1595 beherbergen die wohlfeile Galerie-Szenografie der Performance „automatisch – idiotisch – als ob – genau“ von Lisa Hinterreithner und Julius Deutschbauer im Rahmen der Sommerszene Salzburg.

Sobald Hinterreithner das Spielzeugauto, an dessen Kühlerhaube ein Schreibstift klebt, per Fernbedienung in Bewegung setzt und so mit Hilfe des Fahrzeugs schwarze Linien auf den mit weißem Packpapier ausgelegten Boden malt, taucht man in eine Welt des kreativen Transfers. Ausgangspunkt war ein von Hinterreithner wie „automatisch“ getippter Text gewesen, der in einem tranceartigen Zustand verfasst, unterbrechungslos aus ihr quellend, reflexiven und zensierenden Impulsen widerstand. Das 46 seitenlange Konvolut systematisierte Deutschbauer in 15 Kategorien. Gemeinsam materialisierten sie diese Kategorien in ebenso viele Installationen.

Hinterreithner wiederholt im Stück ihren kreativen Akt coram publico. Doch statt zu schreiben, kuschelt sie sich in einen der Fauteuils, drückt sich Ohropax in beide Hörgänge und spricht 50 Minuten sanft, mit geschlossenen Augen. Ihre Stimme verschwimmt alsbald zu einer plätschernden Soundkulisse. Gelegentlich verständliche Wortfetzen passen verblüffend zum sonstigen Bühnengeschehen. Wie ein spirituelles Medium wirkt die zarte Salzburger Performerin in ihrem grauen Jogger, während sie auf ihren Beinen sitzend, mit ausdrucksstarker Fingergestik murmelt. Feiert hier das Weiblich-Intuitive fröhliche Urstände?

Fast möchte man es meinen, denn Deutschbauer übernimmt in weiterer Folge den Part des fürsorglich-versponnenen Professors/Kurators/Salesmanagers, der den archaischen Wortschwall Hinterreithners durch sein männliches Gehirn schleust, ordnet, katalogisiert und für das gemeine Volk/Studierende/Kunstbegeisterte logisch nachvollziehbar aufbereitet. Begleitet von Ela Piplits, die seine Erläuterungen assistierend ins Englische übersetzt, schreitet er im Business-Outfit von Ausstellungsstück zu Ausstellungsstück. Deutschbauer nennt jeweils die Nummer des Artefakts, zitiert die passende Stelle aus Hinterreithners automatischem Urtext und setzt die Installation kurz in Bewegung. Die Nähmaschine rattert, das Furzkissen trötet, der Drucker beschreibt Papier, die Nebelmaschine vernebelt. Nach der Vorstellung darf das Publikum alles selbst ausprobieren.

Die Stärke von „automatisch – idiotisch – als ob – genau“ liegt in der schrulligen Detailfreude. Verspielt und wohltuend ineffizient kontextualisieren Hinterreithner und Deutschbauer den Urtext. Der Lecture-Modus und die Abwesenheit von Tanz verweisen auf zeitgenössische Klassiker der 1990er Jahre à la Xavier Le Roy. Wenn Hinterreithner auf den Dias die Augen verdreht, so dass die weißen Augäpfel ekstatisch leuchten, grüßt Valeska Gerts grotesker Tanzansatz der Zwischenkriegszeit. Auch Dadaistisch-Absurdes oder Antibürgerlich-Revoltierendes schimmert im Dazwischen. Nur das Fäkale, 2014 seiner Schockwirkung längst enthoben, ermüdet. Zarter Humor schwingt hingegen in Deutschbauers hospitalisiertem Wippen zu Hinterreithners Weinen im Fernseher.

Zwei und zwei ist jedenfalls vier in dieser Performance. Spannender wäre, wenn zwei und zwei etwa die Wurzel aus 53 ergäbe. Dem Stück fehlt der große Bogen als Sprung ins Ungewisse. Unbequeme Fragen nach anhaltenden Gender-Stereotypen in Kunst und Wissenschaft sowie nach Domestizierung von kreativen Prozessen in marktkompatible Stangenware bleiben angedeutet. Und so sehnt man sich gegen Ende nach Schweißperlen, echten Tränen, scharfen Körpergerüchen und nach der vermessenen Kompromisslosigkeit einer griechischen Tragödie.
 

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