Ritterschlag für Demis Volpi
Demis Volpi zum Hauschoreografen und David Moore zum Solisten des Stuttgarter Balletts ernannt
Stuttgarter Jungchoreograf Demis Volpi über seine „Krabat“-Adaption
Nur noch wenige Tage bis zur Uraufführung von „Krabat“, Ihrem ersten abendfüllenden Handlungsballett. Wie fühlen Sie sich im Moment?
Demis Volpi: Also jetzt fängt es an, dass ich ein bisschen die Nervosität spüre. Aber ich bin immer noch ziemlich entspannt. Gestresst war ich komischerweise am Anfang des Prozesses. Inzwischen hat sich fast ein Alltag eingeschlichen. Ein bisschen müde bin ich, aber mir geht es gut.
Vor welchen Proben sind Sie immer noch nervös?
Demis Volpi: Die Bühnenproben. Da muss sehr viel zusammenkommen an Bühnenbild, Dekoration, Kostüm und Musik. Man spürt plötzlich diesen Zeitdruck und dann verlangsamt sich alles nochmal. Da ist Geduld angesagt und das ist nicht eine meiner Stärken (lacht).
Hätten Sie mit Anfang 20, als Sie ihre ersten Stücke kreiert haben, daran gedacht, dass Sie einmal ein abendfüllendes Handlungsballett schaffen würden?
Demis Volpi: Nein, nie im Leben! Aber es hat sich alles so organisch aufgebaut bis hierhin. Es war ein Prozess. Vor drei Jahren beispielsweise hätte ich das noch nicht machen können. Und mir auch nicht zugetraut. Die Stärke hätte ich noch nicht gehabt. Das muss man sich erarbeiten. Und es braucht Zeit. Zu dem Zeitpunkt als Reid Anderson mich dann gefragt hat, hat der Zeitpunkt dann auch einfach Sinn gemacht. Ich hatte mir das zu dem Zeitpunkt auch für mich selbst gewünscht, so etwas irgendwann zu machen. Und habe mich natürlich sehr gefreut.
Wie sind Sie auf „Krabat“ als Stoff für ihr Ballett gekommen?
Demis Volpi: Ich habe mich einfach durch die Jugendliteratur gelesen. Ich hatte eine kleine Liste von Ideen. Und dann hatte ich plötzlich „Krabat“ in der Hand. Ich weiß nicht mehr wie. Und dann waren sofort alle anderen Optionen vom Tisch.
Wie nah ist Ihre Version an der Original-Erzählung von Otfried Preußler?
Demis Volpi: Sehr nah. Ich musste zwar sehr viel von der Geschichte weglassen, aber der Kern ist geblieben. Die Geschichte orientiert sich stark an der Originalgeschichte. Das eine Thema, das ich herausgearbeitet habe, ist die Verführung durch die Macht. Das zweite große Thema die Liebe. Und das dritte ist der Preis den die Macht hat. Indem Krabat sich gegen die Macht und für die Liebe entscheidet erlangt er Freiheit. Freiheit ist das, was nach dem Stück kommt. Es wird nicht beschrieben wie diese Freiheit aussieht. Preußler hat das ganz klug geschrieben, indem er das offen gelassen hat. Wie sieht diese Freiheit aus? Was haben die Gesellen durch sie gewonnen, was verloren? Und ich hoffe, dass sich ein paar Leute das ebenfalls fragen, wenn sie das Theater verlassen. Wenn das gelingt, wäre das schon ein toller Erfolg.
Ist das auch Ihr Ziel als Choreograf? Die Zuschauer mit Ihren Stücken zum Nachdenken zu bringen?
Demis Volpi: Mavis Staines, die Direktorin der National Ballet School in Toronto, an der ich war, hat mal zu uns gesagt, dass der Tanz eine der wenigen Kunstformen ist, die alle Menschen anspricht, weil sie so universell ist. Und wenn uns das nicht bewusst sei, dann hätten wir die Chance verpasst, etwas zu verändern. Auch wenn es nur etwas Kleines ist, macht es etwas aus. Und daran glaube ich sehr. Ich will die Welt jetzt nicht retten mit „Krabat“, da bin ich bescheidener, aber wenn ich irgendjemanden zum Nachdenken anregen kann − das wäre doch was Tolles.
Hat Preußlers Tod vor kurzem Ihre Arbeit beeinflusst?
Ich finde es immer noch sehr traurig. Denn ich fand die Idee so toll, die Geschichte eines lebenden Autors zu erzählen. Für mich ist er auch immer noch ein Zeitgenosse, weil die Geschichte und das Stück entstanden sind, als er noch gelebt hat. Ich habe mir vorgenommen noch härter zu arbeiten. Aber ich habe schon so hart gearbeitet vor seinem Tod, ich weiß nicht wie ich noch härter arbeiten könnte. Aber wir arbeiten alle weiter mit Leib und Seele an diesem Stück
Ist es schwerer für Sie als so junger Choreograf sich bei älteren Mitarbeitern im Team durchzusetzen?
Demis Volpi: Nein, die Leute haben sehr viel Respekt, es ist toll mit ihnen zu arbeiten. Sie erklären mir auch viel. Ich lerne auch viel von den Leuten mit denen ich arbeite, aber ich denke nicht aus dem Grund, weil ich jung bin, sondern weil ich neugierig bin. Und ich hoffe, das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Dass ich, egal wie jung oder alt ich bin, von anderen Leuten etwas lernen kann.
Für die Hauptrolle des Krabat haben Sie mit David Moore einen vergleichsweise jungen Tänzer ausgewählt. Birgt das nicht eine Gefahr einen unerfahreneren Tänzer zu besetzten?
Demis Volpi: Er ist schon noch unerfahren, aber gerade das finde ich auch sehr spannend. Und ich finde auch die Entwicklung von ihm durch die Arbeit und das Stück sehr spannend. Er ist ein sehr, sehr kluger Typ. Er macht das toll. Er begreift, was ich will und setzt das um. Ich hatte von Anfang an keine Zweifel, ich wusste er ist der Tänzer für diese Rolle.
Für „Krabat“ haben Sie zu Recherchezwecken alte Mühlen besucht und benutzen die rhythmischen Geräusche aus der Mühle nun als Klangkollage für ihr Stück. Ein ständiger Wechsel, der für die Tänzer eine echte Herausforderung darstellt. Warum machen Sie es ihren Tänzern so schwer?
Demis Volpi: Die Tänzer lieben Herausforderungen, besonders die Tänzer hier. Die sind es so gewohnt, ständig neue Sachen zu machen, das irgendwann auch das Neue zum Alltag wird. Und wenn dann etwas kommt, was sie wirklich noch nicht kennen, dann finden sie das eher spannend und schön. Und sie haben sich sehr bemüht, auch Lösungen anzubieten, wie man mit der Tonkulisse umgehen kann, denn ich habe ja auch nicht alle Antworten. Ich habe die Idee. Wie das alles zusammenkommt, das haben wir alle gemeinsam herausgefunden.
Sie haben sich entschlossen, nicht mehr als Tänzer, sondern nur noch als Choreograf zu arbeiten. Fehlt Ihnen das Tanzen nicht manchmal?
Demis Volpi: Nein, ich finde es so schön, durch die Tänzer tanzen zu können. Also ich tanze jetzt viel mehr als in der Zeit, in der ich Tänzer war. Als ich Tänzer war, habe ich nur selten die Chance gehabt, hier und da mal eine Solorolle zu bekommen und mich darin ausdrücken zu können. Und wenn ich zu Beispiel David Moore in den Proben sehe, wie er sich bewegt... ich erlebe das alles mit, ich schwitze mit, ich leide mit, das ist wie wenn ich das mit ihm in diesem Moment erlebe.
Ist Handlungsballett für junge Choreografen wie Sie noch eine reizvolle Aufgabe, oder ist es für die junge Generation eher eine aussterbende Art?
Demis Volpi: Es gibt viele Choreografen, die das nicht machen, das gar nicht mehr angehen. Ich finde, es ist ein sehr wichtiges Format, das man auch weiter pflegen muss und auch weiterhin in die Gegenwart bringen und am Leben erhalten muss. Es geht letztlich darum in der Kunst Geschichten zu erzählen, und wenn man nicht mehr in der Lage ist, mit Tanz einen Abend zu füllen, dann stimmt etwas nicht. Natürlich kann man gemischte Abende machen und kleine abstrakte Stücke zeigen, aber ich denke der Tanz muss immer noch in der Lage sein, einen Abend zu füllen und auch eine konkrete Handlung zu erzählen.
Wo werden Sie die Uraufführung von „Krabat“ am 22. März erleben?
Demis Volpi: Hinter der Bühne wäre es schlecht für die Tänzer. Da bin ich zu nervös, da würde ich alle verrückt machen. Es gibt Choreografen, die das machen, aber das ist nichts für mich. Ich will das Stück auf jeden Fall sehen, also werde ich irgendwo im Publikum sitzen.
Was wird der schönste, was der schlimmste Moment für Sie an diesem Abend sein?
Demis Volpi: Das ist schwierig jetzt zu sagen. Ich denke, der schwierigste Moment wird sein wenn der Vorhang aufgeht, aber auch der schönste Moment.
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