Im Sande verlaufen

Chatha/Aïcha M’Barek & Hafiz Dhaou aus Tunis/Lyon zeigen „Khargba - Power Games” auf dem Berliner Festival Tanz im August

Berlin, 14/08/2012

Von Christine Madden

Dieses Bühnenbild hat eine Vorgeschichte zu erzählen. Eine Mondlandschaft aus aufgeschütteten Kieselsteinen erstreckt sich über die Tanzfläche. In dieser öden Bühnenwelt findet „Kharbga – Power Games“ statt.

Die tunesischen Choreografen Aïcha M’Barek und Hafiz Dhaou haben 2005 ihre Kompanie Chatha gegründet. 2011 stellten sie sich dem Publikum von Tanz im August mit dem früheren Stück „Kawa“ vor; dieses Jahr kehren sie mit „Kharbga“ zurück. Obwohl der Titel sich von einem nordafrikanischen Brettspiel herleitet, erinnert die Kulisse unweigerlich an die jüngsten Aufstände und Revolutionen in den arabischen Ländern.

Die sechs Tänzer erscheinen nach und nach auf der Bühne und drehen sich wie Derwische, verschieben Kieshaufen im Vorbeidrehen, jeder in einer Welt für sich. Dabei steigt eine Staubwolke in die Luft und verleiht dem Geschehen die Atmosphäre einer Waffenruhe. Einer der Tänzer bricht ab, um in einem Kieshaufen zu graben. Nach langem Wühlen zieht er eine Palme hervor und richtet sie auf der Bühne auf. Nach und nach zieht er weitere Gegenstände heraus, die er wie zum Verkauf auf dem Kieshaufen ausstellt: eine alte Uhr mit Wecker, einen Puppenkopf, eine Pistole, die auf das Publikum gerichtet ist.

Man kann viel in Verbindung mit dem Drehen bringen: Einsamkeit, Machtlosigkeit, Ziellosigkeit, Ratlosigkeit, Verwirrung und Schwindel. Auch die Sufis drehen sich im religiösen Tanz, der sie in die Nähe Allahs bringen soll. Wie die Sufis, drehen sich die Tänzer in „Kharbga“ sehr lange, in diesem Fall scheint es jedoch nicht zu etwas Bestimmtem zu führen. Wenn das lange Drehen zu Ende geht, sausen die Tänzer herum, schleudern sich, oft kopfüber, mit zunehmender Wucht in die Kieshaufen. Es hat mit der Zeit mehr Ähnlichkeit mit willkürlichem Kindertreiben am Spielplatz als mit einer atmosphärischen Veranstaltung.

Irgendwo dazwischen ist leider etwas im Sand verlaufen. Die Bilder sind eindrucksvoll, die Ideen vielversprechend, aber dramaturgisch kommen die Elemente einfach nicht richtig zusammen. Auch wenn die Tänzer alle Individuen bleiben und ihre sechs Einzeluniversen um die eigenen Achsen drehen sollen, müsste es eine Art kommunikative Energie geben. Stattdessen haben die Tänzer eher voneinander abgelenkt, und die Choreografie konnte keine vereinende Dynamik entwickeln. Das hat zur Folge, dass „Kharbga“ eher den Eindruck von einem gelungen Workshop macht als von einem ausgereiften Stück.
 

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