Entzauberung der Städte

„Urban Fragments“ - Tanz im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln

Köln, 12/05/2011

Als Alexander Mitscherlich 1965 seinen Klassiker über die „Unwirtlichkeit unserer Städte“ schrieb, war noch nicht absehbar, dass diese Unwirtlichkeit besonders in den Mega-Cities der Dritten Welt eskaliert. Mit medialen Installationen und Skulpturen von Künstlern aus Kairo, Lagos, Kinshasa, Nairobi und Johannesburg richtet die Ausstellung „Afropolis“ im Rautenstrauch-Joest-Museum den Blick auf den Moloch Stadt. In der Tanzperformance „Urban Fragments“ fügen drei Choreografen den Ausstellungsobjekten ihre eigenen Bewegungsgedanken hinzu.

Die Performance beginnt im mehrstöckigen Foyer des Museums. Dreizehn Tänzerinnen und Tänzer des ZZT, des Zentrums für zeitgenössischen Tanz der Kölner Hochschule für Musik und Tanz, sind auf allen Ebenen des Museums verteilt. Sie rufen sich, ihre Namen hallen durch das Labyrinth der Gänge wie durch die Straßenschluchten von Mammut-Metropolen. Nach und nach sammeln sich alle im Foyer. Auf Zuruf wechseln sie die Plätze, formieren Reihen oder Diagonalen, lösen die Form im Lauf wieder auf, bilden eine Gruppe. Einzelne brechen aus, suchen eigene Wege. Ganz außergewöhnlich gute Nachwuchstänzer des ZZT gestalten souverän mit ihrer je eigenen Ausdruckskraft die choreografischen Vorgaben zum Thema Urbanität von Mega-Cities.

Offen bleibt, welche Beiträge von der Kölner Choreografin Vera Sander und welche von den beiden südafrikanischen Choreografen Athena Mazarakis und Jay Pather stammen. Einzelne choreografische Skizzen bleiben in ritualisierten Bewegungsabläufen stecken, etwa wenn pulsierende Bewegungsströme in den Straßen simuliert werden. Die Rückseite einer Armutshütte aus Blech und Pappe dient als Projektionsfläche für Videos einer neuen Generation Afrikaner. Neben der künstlerischen Wucht solcher Videobeiträge wirkt manche formal angelegte Tanzsequenz doch recht harmlos. Glänzend in allen Szenen bewähren sich allerdings die Studierenden mit ihrem Engagement, ihrer Ausdruckskraft und tänzerischen Qualität.

Herausragend etwa Jana Berg in ihrem „Solo mit Tisch“ und Anika Bendel, die im Tutu aus zerknülltem Papier über Gestapo-Verfolgung rezitiert. Da wird spürbar, dass sich die Choreografie auf das kritische Material der Ausstellung zum Dreiklang Stadt-Medien-Kunst einlässt. In einem surrealen Film quillt zum kratzigen Gitarrenschlag eine Kröte aus dem Mund einer Frau. An anderer Stelle stürzen nächtliche Bauten ein. Gekonnt holt eine faszinierende Tanztheaterszene die surreale Szenerie des Videos auf den Tanzboden. Viele Stationen dieser Ausstellung vermitteln Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsvisionen in einem. Wo der Tanz sich kritisch darauf einlässt, wo er auch einmal ruppig und borstig wird, findet er schnell die Nähe zu diesen Objekten, die den Begriff Urbanität weitgehend entzaubern und in Elend und Vereinsamung auflösen. Eine fruchtbare Erhellung von zwei Genres, die weitere Wiederholungen verdient hätte.

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