Eine Freude für das Herz und die Sinne

Alina Cojocaru gastiert im Hamburger „Sommernachtstraum“

Hamburg, 02/03/2011

Zum dritten Mal ist sie jetzt – nach zwei Auftritten bei Nijinsky-Galas – nach Hamburg gekommen, aber zum ersten Mal für ein abendfüllendes Ballett: Alina Cojocaru, Erste Solistin beim Royal Ballet in London und weltweit eine für ihre Virtuosität und Darstellungskraft berühmte Primaballerina. Schon in Kopenhagen hatte sie als Hippolyta/Titania gastiert, dort hinterließ ihre Interpretation der schwierigen Doppelrolle einen so tiefen Eindruck beim Hamburger Ballett-Intendanten, dass er sie anlässlich der Wiederaufnahme des Stückes für drei Vorstellungen in der Hansestadt engagierte. Rein körperlich entspricht Alina Cojocaru der Uraufführungs-Hippolyta Zhandra Rodriguez – sie ist ebenso klein und schmal und federleicht. Ideale Voraussetzungen für die extrem hohen Hebefiguren und vielfältigen spiraligen Verschränkungen, die John Neumeier in diesem Ballett vor allem in die Pas de deux von Titania und Oberon eingebaut hat, und die den männlichen Hauptdarstellern fast ein Übermaß an Kraft abverlangen.

Dafür war schon bei der Premiere am vergangenen Freitag Ivan Urban zu bewundern (siehe tanznetz-Kritik vom 28.2.2011), in der Alternativbesetzung (von „zweiter“ mag man angesichts der hochkarätigen Riege nicht sprechen) ist es Thiago Bordin. Alina Cojocaru verleiht ihrer Hippolyta viel mädchenhafte Scheu und genau das Maß an Sehnsucht und Hingabe, das diese Rolle braucht – vor allem im 2. Akt, wenn Theseus sie noch vor der Hochzeit in ihrem Schlafgemach aufsucht und seine Zuneigung für die künftige Gattin entdeckt. Der sich daraus entwickelnde Pas de Deux sei „ein Sinnbild für die echte Liebe“, erklärte John Neumeier in einer ganz der Wiederaufnahme des Stückes gewidmeten Ballett-Werkstatt am vergangenen Sonntag, und genau so haben es Alina Cojocaru und Thiago Bordin auch spüren lassen.

Aber die beiden konnten auch anders – als Titania und Oberon. Thiago Bordin hat da einiges zu tun, um der kleinen Furie Cojocaru Einhalt zu gebieten. Dass diese dann dank Pucks Wunderblume doch auch die Qualitäten des Elfenkönigs zu schätzen weiß, und dass dieser den ihren nur zu gerne erliegt, ist lediglich die andere Seite der Medaille, die Cojocaru und Bordin aufs Feinste herauszuarbeiten verstehen. Apropos Puck: an diesem Abend ist das Konstantin Tselikov, der damit jedoch noch sichtlich überfordert ist – weniger technisch, wohl aber darstellerisch. Da fehlt noch viel – aber es kann auch nur wachsen, wenn Tänzer Gelegenheit bekommen, sich an so einer Aufgabe zu entwickeln. Dafür brilliert Carsten Jung in der Rolle des Zettel, und es ist offenkundig, dass er dessen derbe Späße und das Techtelmechtel mit der von Puck irregeleiteten Titania genauso genüsslich auskostet wie Lloyd Riggins in der ersten Besetzung.

Die Überraschung des Abends jedoch ist die Helena von Hélène Bouchet. All das, was sie bei der Premiere als Hippolyta/Titania noch an Expressivität vermissen ließ, zeigt sie hier aufs Erfreulichste. Als Helena macht diese oft viel zu scheue Tänzerin ihre Seelentür endlich einmal ganz weit auf – und welcher Reichtum kommt da plötzlich zum Vorschein! So mädchenhaft, so naiv, so vorwitzig, aber auch so rührend hat man diese Helena selten gesehen. Hélène Bouchet wirft sich in diese Rolle regelrecht hinein – und das ist genau das, was dieses Stück braucht. Denn es ist bei weitem nicht nur auf die beiden Stars zugeschnitten, wie Neumeier in der Werkstatt erklärte, sondern vielmehr „ein Ensembleballett mit acht Hauptrollen“ – dazu angetan, die Stärke und Vielseitigkeit seiner Kompanie zu zeigen. Mit Alexandre Riabko als Demetrius gelingt das bestens, dagegen bleiben Anna Laudere als Hermia und Edvin Revazov als Lysander eher noch etwas blass. Aber ganz egal, welche Besetzung tanzt: das Stück selbst lohnt den Besuch – zumal auch die Musik aus dem Graben unter der feinfühligen Leitung von Simon Hewitt den Tänzern einen komfortablen Klangteppich ausrollt.

Weitere Vorstellungen: 3. und 8. März sowie 9., 17. und 19. Mai und 2. Juli.

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