Nachhilfeunterricht in deutschen Sprachkenntnissen dringend erforderlich

Drei Uraufführungen beim Stuttgarter Ballett

oe
Stuttgart, 01/04/2010

Sechs Monate, ein halbes Jahr nach Spielzeitbeginn, endlich eine ‚richtige‘ Premiere beim Stuttgarter Ballett (nach vorherigen Wiederaufbereitungsarbeiten an älteren Repertoirestücken). Dafür nun gleich ein komplettes Uraufführungspaket von drei unserer vier Hauschoreografen – das sollen den Stuttgartern erst einmal ihre ehrenwerten Kollegen in Berlin, Hamburg oder München nachmachen! Alle drei mit englischen Titeln: „Nightlight“ von Douglas Lee, „Big Blur“ von Demis Volpi und „Letters of Others“ von Bridget Breiner. Im Programmheft ellenlange Biografien aller Beteiligten, Listen ihrer Werke und Aufzählungen ihrer Preise und Auszeichnungen, aber kein Wort über die neuen Stücke, geschweige denn ein deutschsprachiger Abdruck der englischen „Letters of Others“, die wie ein Wasserfall am Ohr des Publikums vorüberrauschten – vermutlich auch etwas mit der Choreografie zu tun hatten, was aber beim einmaligen Sehen nicht nachvollziehbar ist. Da überschätzen die Choreografen die Aufnahmefähigkeit der Zuschauer – eine Ungehörigkeit, die einmal angeprangert gehört.

Da erwarten wir von den türkischen Immigrantenkindern, dass sie gehörig Deutsch lernen, aber unsere hochmögenden Tänzer, die im Ballettsaal so gut wie ausschließlich Englisch sprechen, halten es nicht für nötig, sich ihrem Publikum deutsch verständlich zu machen. Und das nachdem in der Oper selbst bei deutschsprachigen Libretti oft schon mit deutschen Übertiteln gearbeitet wird. Das ist eine Praxis, die schleunigst abgestellt gehört. Wie die ganze überflüssige Quasselei im Ballett – allem Crossover-Gehabe zum Trotz! Suggerierte Douglas Lees „Nightlight“ nächtliche Assoziationen, mit den zwölf Tänzern als Albtraumkreaturen in einem kafkaesken Ambiente, die sich in den kompliziertesten artistischen Bewegungskombinationen ergehen und so geradezu Goyasche „Desastres“ beschworen, so habe ich bei Demis Volpis „Big Blur“ vergeblich auf den „Dicken Klecks“ gewartet. Sollte ich den bei dem enervierenden Getrommel übersehen haben, denn mir erschien sein Ballett mit seiner ausgepichten Spitzentechnik eher wie ein luftiger Parcours, aller Erdenschwere spottend – besonders in dem Abschnitt mit der den Boden überhaupt nicht berührenden Ballerina und den trampolinartigen Sprüngen der Jungen.

Schade, dass Bridget Breiner dann mit ihrem unsäglichen Gequassel nicht nur die Musik von Jean Françaix und Henry Purcell verunstaltete, denn ihre Choreografie für acht Tänzer, darunter solche Koryphäen wie Marijn Rademaker und Jason Reilly, wartete mit so vielen Überraschungseffekten auf, auf die man sich gern konzentriert hätte, wäre man durch die Bemühung, wenigstens Bruchstücke vom Text zu verstehen, nicht ständig abgelenkt worden. Vielleicht sollte sie das Ballett einmal textbereinigt tanzen lassen! Die Stuttgarter Ballettdirektion aber täte gut daran, ihren Tänzern ein deutsches Sprachtraining zu verordnen!

 

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