„muse 010“ zum Sommerschluss: Tanzen verboten!

Mit dem Abschluss dieses Sommerkurses schafft sich Tanzplan Dresden in der Palucca-Schule selbst ab

Dresden, 09/08/2010

Drei Männer. Rechts am Schlagzeug der eine, mit E-Gitarre ein anderer links und in der Mitte, mit dem Rücken zu uns, ein Mann mit Saxophon. Der Schlagzeuger steht dann mal auf und setzt sich wieder, das macht Geräusche. Manchmal entlockt er diese seinem kleinen Instrumentarium auch gezielter. Irgendwann stellt er einen piepsenden Dauerton ab. Er schläft dann ein. Der Gitarrist bringt sein Instrument durch Beklopfen und leichtes Schütteln zum Klingen, die Technik gibt ein paar Effekte dazu. Der Mann am Saxofon rollt sich, vom Schritt bis an den Mund in intensiver Verbindung mit seinem Instrument, am Boden nach vorn, dabei erzeugt der Atem Töne, Klänge mitunter auch. Alles Impro oder was, vor allem aber: ob es das schon war, fragt man sich nach kurzer Zeit, die ziemlich quälend vergangen ist, wenn Gregory Edelein aus Brüssel sich zu den Musikern begibt und damit klar macht ja, das war‘s.

Weil er die Kraft untersuchen möchte, „die die Beziehung zwischen Musik und dem menschlichen Körper zeigt“, hatte man sein Projekt „to disconcert“ aus 51 Bewerbungen, die aus aller Welt kamen, im März erwählt und dem Team eine Kurzresidenz samt Arbeits- und Aufenthaltsstipendium in der Palucca Schule zukommen lassen. Das Ergebnis seiner 14tägigen Untersuchungen eröffnete die Abschlusspräsentation von „muse 010“, der letzten von Tanzplan Dresden verantworteten Sommerwerkstatt.

Auch Hanna Hegenscheidt aus Berlin hatte sich beworben und konnte zumindest die Tanzplan-Auswahl-Kommission mit ihrem Konzept überzeugen. Weniger überzeugend dann ihr Projekt „Bitte streicheln sie hier“ für eine Performerin und einen Performer, die zunächst verbal und dann ohne Worte über Nähe und Intimität verhandeln. Erst nach dem Motto hart oder weich, mit der ganzen Hand oder nur mit vier Fingern, Brust oder Keule. Dann, in sicherer Entfernung voneinander, atmet sie ins Mikrofon. Er kann der nonverbalen Verlockung verabredungsgemäß nicht widerstehen. Dann doch mit Anfassen und einigen beinahe tänzerischen Körperverknotungen könnte man das Ganze mit etwas Humor für die Synchronisationsszene eines jugendfreien Pornofilms halten.

Zum Abschluss stellt in einem kleinen verdunkelten Studio Vera Ondrasikova aus Prag einen Ausschnitt ihrer Arbeit „15 Steps“ vor. Vier Männer bedienen die Technik, Projektionen und Sound, ein roter Pfeil, Linien, Gitter, Felder auf dem Boden, an der Wand, schnelle Wechsel, rasche Schnitte. Eine Frau folgt den Vorgaben, dem Pfeil, den Lichtschneisen, ihrem Schatten, irgendwann kommt sie den Vorgaben nicht mehr nach und gibt sich auf im digitalen und medialen Männerspiel.

Das ist Tanzplan Dresden in der Abschiedsphase, der sich hier als so tanzfreies wie beliebiges Erschöpfungstheater zeigt. Was 2007 als Gemeinschaftsprojekt der Palucca-Schule, dem Semperoper-Ballett und dem Europäischen Zentrum der Künste Hellerau begann, um nach eigener Aussage „mit interdisziplinären Konzepten und Mut zu Innovation“ die örtliche Tanzszene zu bereichern und deren Traditionen vom Beginn des letzten Jahrhunderts zu erneuern, geht nach vier Jahren zu Ende. Man ließ und lässt sich diesen Tanzplan etwas kosten. Fast 230.000 € pro Jahr kommen je zur Hälfte aus den Etats der Partner und von der Kulturstiftung des Bundes, 57.000 € Drittmittel, die nicht näher bezeichnet werden, kommen noch dazu. Im Wesentlichen wurden Residenzen an junge Teams vergeben, verbunden mit Arbeitsstipendien, Produktionsbudget und dramaturgischer Betreuung. So entstanden in den vier Jahren Produktionen ganz unterschiedlicher Art, die in der Studiobühne der Sächsischen Staatsoper, „semper kleine szene“ oder im Hellerauer Festspielhaus präsentiert wurden. Bis zu 90 Künstler konnten so planmäßig pro Jahr in Dresden gefördert werden. Noch ist der Tanzplan nicht erfüllt, erst wenn sich die in Berlin lebende japanische Choreografin Takako Suzuki, die bereits 2008 ein Tanzplan-Stipendium in Dresden erhielt, Ende Oktober mit ihrer Tanztheaterperformance „Collavocation“ in Hellerau vorstellt, läuft das planmäßige Erneuerungsverfahren aus.

Zum Tanzplan-Programm gehören Improvisationskurse im Winter und Sommerwerkstätten in der Palucca-Schule. „muse 010“, die Abschlusspräsentation der letzten Werkstatt, war leider eine kraftlose Veranstaltung, die schon mit einer Peinlichkeit begann. 14 Tage lang wurden für 90 Teilnehmer insgesamt 19 Kurse in klassischen und zeitgenössischen Techniken angeboten. Als die Moderatorin den Dozenten den Dank der Veranstalter aussprechen wollte, waren gerade mal zwei anwesend, um ihre Sonnenblume entgegen zu nehmen. Waren sie erschöpft oder wussten sie was uns erwartet? Schade, man hätte Tanzplan Dresden einen besseren Sommerschluss gewünscht.
 

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