„Köln ist nicht im Gespräch, nur im Gerede“

In Köln liegt der Tanz am Boden, in Düsseldorf boomt er

Köln, 04/05/2010

„Köln ist dabei einen furchtbaren Fehler zu machen“, protestierte Schauspielchefin Karin Beier am Informationstag zur anstehenden – und jetzt bereits gefällten – Ratsentscheidung in Sachen Sanierung oder Abriss des Kölner Schauspielhauses. Heftig wurde über maximale und minimale Varianten gestritten, über Kosten von 365 Millionen Euro für einen Neubau oder 200 Millionen für die Sanierung. Gleich wie die Entscheidung ausgefallen sein wird – ob der Rat den Bürgerentscheid zulässt oder selbst von seinem Abriss-Beschluss abgerückt ist –, ein Verlierer steht bereits fest: der Tanz.

Der Geschichte des Tanzes in Köln wird damit eine weitere Fehlentscheidung hinzu gefügt. Angesichts seines Niedergangs kann man kaum glauben, dass Köln in den 1970er- und 1980er-Jahren einmal als Weltstadt des Tanzes galt. In New York wurde mir in diesen Jahren gar dazu gratuliert (!), aus dieser großartigen Tanzstadt zu kommen. Damit ist es vorbei. Köln findet keine Erwähnung mehr. Köln ist nicht mehr im Gespräch, nur noch im Gerede.

Der Fehler, den Karin Beier meint, ist der Verzicht auf den großen Wurf. Den hat das Landesbüro Tanz NRW schon im letzten Jahr mit einem Kunst-Ensemble aus Oper, Schauspiel und Tanz im Herzen von Köln gefordert. Doch aufgeschreckt vom öffentlichen Protest, von neuen Bürgerinitiativen wie „Mut zu Kultur“ wurde die teure Neubau-Version von Oberbürgermeister Roters auf 295 Millionen „gedeckelt“. Dass sich die Grünen bei dieser Entscheidung feige aus der Verantwortung schlichen und den Koalitionspartner SPD die „heiße Kartoffel“ allein aus dem Feuer holen ließen, ist ein besonderer Skandal. In Kulturfragen haben sich die Grünen noch nie mit Ruhm bekleckert. Mit der „Deckelung“ von OB Roters bekam der Tanz heftig eins auf den Deckel: Alle Balletträume im Konzept wurden gestrichen. Der Balletttraum war ausgeträumt. Doch auch im Sanierungskonzept der Bürgerinitiative „Mut zu Kultur“ ist ein Ballett in Köln nur zu haben, wenn noch mal 30 Millionen drauf gelegt werden. Fünf Jahre Interim, so klagt die Oper, würde man nicht überleben. Und der Tanz? Wie kann der überleben? In Köln steht er trotz der Lippenbekenntnisse aller Parteien vor dem endgültigen Aus für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte.

Derweil boomt der Tanz in Düsseldorf. Hier bringt der Chef des Ballett am Rhein, Martin Schläpfer, mit b.04 bereits sein viertes Premierenprogramm auf die Bühne. Großartig, wie Schläpfer dabei die klassische Moderne mit dem zeitgenössischen Ballett verbindet. Mit dabei der Tanzklassiker von 1929 „Pavane auf den Tod einer Infantin“ von Kurt Jooss und Twyla Tharps „Baker’s Dozen“ von 1979. Auch im Tanzhaus NRW gibt es in diesem Monat wieder ein Highlight des Tanzes: Vom 29. April bis 02. Mai zeigt die kanadische Compagnie Marie Chouinard ihre Version von „Le Sacre du Printemps“ und „Prélude à l’Après-midi d’un Faune“. Dass im projektierten Tanzhaus Köln jemals solche Top-Gastspiele stattfinden werden, ist kaum zu erwarten. Hier eröffnet die Interimslösung am 08. Mai ganz kölsch mit Tanzmariechen und „alles was tanzt“.

Infos: www.rheinoper.de / www.tanzhaus-nrw.de / www.tanzhaus-koeln.de 

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