Im Rausch des Designs

Das neue Rhein-Ballettprogramm mit Balanchines „Vier Temperamente“, Schläpfers „Forellenquintett“ und Mats Eks „Aluminium“

oe
Düsseldorf, 11/12/2010

b.06 Also – nie werde ich mich an die Marotte gewöhnen, die Ballettprogramme zu nummerieren (ist ein neuer Opernchef je auf die Idee gekommen, seine Premiere als o.05 alias „Die Zauberflöte“ zu annoncieren?) Ich halte das für einen reinen Spleen der Ballettdirektion – übernommen aus deren Zeit in der Provinz –, der kaum der Publikumsinformation dient, sondern allein dem grafischen Ehrgeiz der Veranstalter. b.06 – das sieht natürlich äußerst schick aus. Entspricht in Düsseldorf/Duisburg wohl auch dem modischen Design-Ehrgeiz des Hauses (der inzwischen ja auch bereits international preisgekrönt worden ist). Hier ist alles – oder doch fast alles – Design, durchgestylt bis ins i-Tüpfelchen. Verantwortlich dafür sind außer den Herausgebern die für Gestaltung und Kommunikationsdesign zuständigen Firmen und wohl auch Gert Weigelt als Porträt- und Proben-Starfotograf.

Wie gesagt: äußerst schick das Ganze – in Anlehnung an Wagners Gesamtkunstwerk ist man fast versucht, vom Gesamtdesign zu sprechen. Einfach spitze! Soweit allerdings, die effektiven Produktionen in das Konzept des Gesamtdesigns einzubinden, ist man allerdings noch nicht. Kann ja aber noch werden. Vielleicht sprechen wir dann eines Tages von der Design-Ära des Schläpferschen Rhein-Balletts! Im neuen Programm könnte man sogar vielleicht schon Balanchines „Vier Temperamente“ und Schläpfers „Forellenquintett“ darunter subsumieren – Mats Eks „Aluminium“ am Schluss allerdings ganz und gar nicht – da helfen auch die Gewaltanstrengungen der für das exquisite Programmheft zuständigen Anne do Paco nicht weiter, deren Artikel zu Balanchine und Schläpfer ausgesprochen zweckdienliche Informationen zu den jeweiligen Choreografien liefern. Es hilft alles nichts! Mats Ek steht verstörend isoliert in diesem Programm – ich habe erst hinterher verstanden, worum es in diesem Stück angeblich geht und hielt es wie schon bei der Erstbegegnung vor ein paar Jahren in Ludwigsburg, für einen zu lang geratenen Werbespot der Württembergischen Metallfabriken.

Über die beiden anderen Stücke hat Angela Reinhardt in ihrer Premierenkritik aus Duisburg am 18.10. bereits alles gesagt, was dazu zu sagen ist: zwei Meisterwerke moderner Choreografie – das eine („Vier Temperamente“) schon ein Klassiker von 1946 (vielleicht das erste komplett abstrakte Ballett – Vorgänger des späteren „Agon“) – das zweite, maybe, ein „Klassiker in the making“, von einer nervig-fluoreszierenden Musikalität und dazu noch mit einer impliziten Handlung, die zum Träumen einlädt (wie schön, in diesem Zusammenhang im Programmheft an einen Text von Karl Heinz Ruppel erinnert zu werden, diesen hochverdienten Musikkritiker mit einem so feinen Flair für das Ballett) – ungemein stimmig hier auch die flirrende, für Keso Dekker so ausgesprochen untypische Ausstattung. Musiziert und getanzt wurde so hinreißend, als handelte sich's um ein ganz persönliches Weihnachtspräsent für einen gewissen oe.

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