Highlights machen nicht satt, nur hungrig

Die Bühnen in NRW setzen weiter auf Gastspiele statt auf feste Kompanien

Köln, 29/08/2010

Als 1913 im Pariser Théâtre de Champs-Élysées das Ballett „Le sacre du printemps“ (Das Frühlingsopfer) uraufgeführt wurde, kam es zu einem der größten Skandale der Theatergeschichte. Es lässt sich nicht sagen, was das Publikum damals mehr empörte: Strawinskys rhythmisch-stampfende Musik oder Nijinskis Choreografie, die völlig mit der Ästhetik des klassischen Tanzes brach. Das Werk markiert im Tanz den Anfang der Moderne. Anlass genug für das Tanzhaus NRW in Düsseldorf, ab 2. September zum „Festival Sacre plus“ einzuladen. Inzwischen gibt es etwa 260 Sacre-Inszenierungen, von Mary Wigman bis hin zu Pina Bausch. Neuere Versionen zeigt das Festival, mit dem das Tanzhaus NRW seine neue Spielzeit eröffnet.

Auch in Bonn, wo die Tanzsparte ganz abgeschafft wurde, wird die Spielzeit 2010/2011 am 11. September mit Tanz eröffnet. Sogar mit einem Auftragswerk, das vom Theater Bonn eigens nach Kanada vergeben wurde, um den Tanz wieder nach Bonn zu bringen. Immerhin kommen die Tanzfans damit in den Genuss, vom Atlantic Ballet Theatre of Canada die Geschichte des „Fidelio“ als abendfüllendes Ballett neu erzählt zu bekommen. Musikalisch geadelt wird diese Weltpremiere durch das Beethoven Orchester Bonn. Bonn lockt im September noch mit einem weiteren Highlight des Tanzes. Das freie Tanzensemble CocoonDance, gegründet von ehemaligen Tänzern des Theater Bonn, feiert im September sein 10-jähriges (erfolgreiches!) Bestehen und zeigt einen Querschnitt früherer Stücke. Start ist am 9. September aber mit einer Uraufführung: „Another You“, ein Duett, das die Form dieser tänzerischen Kommunikation selbst in Frage stellt. Es sind solch tiefgründig-anspruchsvolle Arbeiten, die, tänzerisch perfekt umgesetzt, CocoonDance den Zuspruch des Publikums und die Förderung des Landes NRW eingebracht haben.

Und auch die Bühnen in Köln rüsten zum Tanz. Natürlich nur mit Tanzgastspielen. Damit werden sich die Kölner – wie an dieser Stelle oft beklagt – noch lange Jahre zufrieden geben müssen, da die neuen Umbaupläne von Oper und Schauspielhaus weitere Verzögerungen bringen. Inzwischen muss bezweifelt werden, ob Köln jemals den Willen und die finanzielle Kraft aufzubringen bereit sein wird, ein neues städtisches Tanzensemble zu gründen. Das gleiche gilt auch für das geplante Tanzhaus für Kölns freie Szene. Das wurde vom Stadtrat aus Kostengründen kurzerhand auf Eis gelegt. Bleiben die Gastspiele. Die sind hochkarätig und werden die Häuser wieder füllen. Solche Highlights sollten den Tanz vor Ort eigentlich nur garnieren. Sie machen nicht satt, sondern nur hungrig! Die Serie startet im September mit einem Stück von Sidi Larbi Cherkaoui, der bereits im Juli die Kölner mit „Sutra“ begeisterte. Jetzt steht sein brandaktuelles Tanzstück „Babel“ auf dem Programm. Ganz dem Mythos des Turmbaus zu Babel entsprechend, stehen 18 Künstler aus 13 verschiedenen Ländern mit ebenso vielen Muttersprachen auf der Bühne. Die Reihe wird fortgesetzt und bringt mit Maria Pagés, Sasha Waltz, William Forsythe und Akram Khan internationale Choreografie-Stars verschiedener Stile nach Köln. Allein dieser „Kessel Buntes“ zeigt, dass Gastspiele nur Ergänzung eines ständigen Angebotes sein können.

www.tanzhaus-nrw.de / www.theater-bonn.de / www.cocoondance.de / www.operkoeln.com / www.schauspielkoeln.de

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