Einfach, komplex und in der Tradition

Sasha Waltz & Guests zeigen drei „Choreographen der Zukunft“ im Pfalzbau Ludwigshafen

Ludwigshafen, 26/01/2010

Unter dem Label Sasha Waltz & Guests entstehen international bekannte choreografische Arbeiten. Hinter dem Namen verbirgt sich das Berliner Künstlerduo Sasha Waltz und Jochen Sandig, die 2007 die Programmreihe „Choreographen der Zukunft“ gründeten. Sie bieten damit Mitgliedern aus dem Ensemble der Choreografin Sasha Waltz eine produktive und unterstützende Basis für ihre eigenen Stücke. Hauptsponsor des Projekts ist die BASF, die den Tanz als einen Schwerpunkt ihrer Förderkultur berücksichtigt. Im Pfalzbau kamen jetzt drei Arbeiten zur Aufführung.

Renata Graziadeis „Rückwärts“ gab den Auftakt. Die Tänzerin und Choreografin liegt ausgestreckt im Lichtkegel auf der Bühne und beginnt in der Stille des Raumes ihre Bewegung. Sie hebt die Hand, dreht den Kopf, den Oberkörper, kommt mit Leichtigkeit in die Hocke und liegt wieder am Boden. Wieder ein Arm, aus der Hüfte ein Bein und plötzlich Gitarrenklänge. Aus dem hinteren Bühnendunkel gibt Licht den Blick auf die Silhouette der Gitarre frei. Zwischen der Tänzerin und den Tönen entsteht ein Dialog, bis die Gitarre wieder verstummt. Aus dem Lichtkegel befreit, tanzt Graziadei nun im vollen Licht. Sie behält ihre klaren einfachen Bewegungen bei, beschleunigt die Abläufe und bleibt zuweilen in einer Geste hängen wie eine Puppe. Die Gitarre ist in den Händen eines Spielers, der im Hintergrund sitzt. Er spielt in den Tanz hinein wie eine akustische Antwort auf die Bewegung. Beide Künste – Musik und Tanz – schöpfen ihren Ausdruck aus einer dritten Qualität: Der Stille.

Identitätssuche ist das Thema von „Aného“. Jirí Bartovanec hat viel recherchiert, um die Wurzeln seiner eigenen Herkunft zu finden. Auf einer riesigen Leinwand läuft ein Film, dessen unscharfe Bilder den Zuschauer im Unklaren lassen. Davor bewegt sich der Tänzer ruckartig und zitternd im überdimensionalen Rock. Ein Mund, ein Gesicht, Augen, Familienfotos, ein Hochzeitspaar blicken von der Leinwand in den Zuschauerraum. Der Rock des Tänzers ist ebenso wandelbar wie die Bilder mit Menschen aus vergangener Zeit. Er wird zum Spiegel geformt oder bietet dem Choreografen Schutz wie eine Hütte. Später hängt der Rock in der Luft und der Künstler steht in silberfarbenen Pumphosen und Käppchen auf dem Kopf auf der Bühne – ein kleiner Ritter, der sich durch ein Geflecht von Erinnerungen boxt. Von Afrika bis Deutschland spinnen sich die Fäden der Ahnensuche, die beim Großvater enden. Ihn hat der Künstler unter Obdachlosen in Pilsen gefunden. Seine Familienrecherche ist damit einer lebendigen Nacherzählung gewichen und mündet in einer Identitätsfindung.

Eines der ältesten Musikinstrumente der Welt, die klassische chinesische Griffbrettzither, steht im Zentrum von „The Sound of Quin“. Das Choreografen-Paar Xuan Shi und Niannian Zhou bewegt sich entlang der Töne des Instruments. Es wird von Sou Si-tai, der am Rand der Bühne sitzt, gespielt. Der in Hong Kong lebende Musiker gilt in seinem Land als einer der bekanntesten Quin-Spieler. Es erstaunt ein wenig, dass die beiden Tänzer aus dem innovativen Umfeld von Sasha Waltz zu den traditionellen Klängen nur traditionelle Bewegungen finden. Ihr Tanz bleibt in den weit gestreckten und kreisenden Armen und einer einfachen Beinarbeit der chinesischen Bewegungstradition verhaftet. Hier hätte ein Bruch mit der Tradition zu mehr Spannung verholfen.

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