Wehe, wenn sie losgelassen

In der Wiener Staatsoper wurde „Ein Sommernachtstraum“ von Jorma Elo uraufgeführt - eine Enttäuschung

Wien, 01/04/2010

Ist das kommerzielle Glitzer-Unterhaltung à la Las Vegas, die besser in die Stadthalle passen würde als in die Staatsoper? Oder handelt es sich um den missglückten Versuch einer Comic-artigen Parodie auf Shakespeares Komödie „Ein Sommernachtstraum“? War dem Gast-Choreografen Jorma Elo die Vorlage zu umständlich, weil er seinen zweiaktigen Tanz-Mix wie im Zeitraffer stummfilmartig abspult und auf jede Note einen Schritt setzen muss?

Zu hören sind unter der Leitung von Michael Halász Felix Mendelssohn Bartholdys „Ein Sommernachtstraum“ sowie die „Italienische“ (4. Symphonie) und zwei Sätze aus dem Violinkonzert op. 64, in denen Rainer Küchl brilliert. So viel gesprungen, gedreht, gehüpft und gefuchtelt wurde auf der Bühne der Staatsoper noch nie. Elo meinte sinngemäß bei Interviews, dass er zuerst warte, was die Tänzer zum Stück an Material anbieten. Erst danach schalte er sich ein. So sieht der „Sommernachtstraum“ auch aus und er verweist gleichzeitig auf eine Misere: Dass der gewaltige Abbau an künstlerisch-anspruchsvollem Repertoire in den letzten fünf Jahren ein Tänzer-Ensemble produziert hat, das von sich aus, bis auf wenige Ausnahmen, nur mit dem Formenkanon des 19. Jahrhunderts und Showballett agieren kann.

Wenn von Liebe und Verliebtsein bei Shakespeare die Rede ist, wird in der Staatsoper mit steifem Oberkörper und uralter Pantomime gedeutet. Wenn Ensembleszenen entstehen sollen, sind sie an alten Mustern orientiert, da nutzt das „Welle machen“, wie man es vom Fußball kennt, nichts. Wenn Olga Esina als Titania Abneigung spielen soll, wird mit den Armen zackig quer gezogen. Es gibt kaum eine Rolle, die als solche choreografisch gestaltet ist. Selbst der Puck des Muskelpakets Mihail Sosnovschi wird in seiner maßlos übertriebenen Lust auf Bravour letztlich unglaubwürdig. Das Tempo der Musik, dem tänzerisch nachgeeifert wird, lässt alles ineinander verschleifen.

Sollte da etwas erzählt werden oder sind die ungebremsten Allüren mancher Tänzer das Thema? Letztlich strahlt es nur noch so. Ausstatterin Sandra Woodall hat die Tänzer in altgriechische Kostüme gesteckt, die Kinder-Elfen als Glühwürmchen auf Rutschen verkleidet und fährt, nach einem bernsteinfarbenen Block, der an einen Fels mit Höhlenzeichnungen erinnert, vom Schnürboden Leucht-Deko herunter und Geäst hoch.

Die Uraufführung war die letzte Premiere des Ballettdirektors Harangozó. Zuletzt präsentierte der designierte neue Chef Manuel Legris einen niveauvollen, international orientierten Spielplan, der Hoffnung macht.

www.dasballett.atwww.wiener-staatsoper.at 
Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern