Ein Jungborn, mitten in Berlin

Zur Fernseh-Dokumentation über den Um- und Neubau der Staatlichen Ballettschule Berlin

oe
Stuttgart, 03/12/2010

Zehn Studios mit insgesamt 2200 m² Tanzfläche, inklusive einem Theatersaal mit zukunftsweisender Bühnentechnik: so stellt sich der Neu- und Umbau der Staatlichen Ballettschule Berlin in der Fernseh-Dokumentation „Ein Haus mit Schwung“ von Rundfunk Berlin-Brandenburg vor (Sendung am Sonntag, dem 5. Dezember um 23.45 Uhr). Es ist ein Film, der unweigerlich „anmacht“, so dass man am liebsten wieder jung würde, um dort zu studieren (und man die Eltern nur warnen kann, ihre Zöglinge bei einem Besuch mitzunehmen, denn die werden so begeistert sein von den dortigen Möglichkeiten, dass sie gleich dableiben wollen).

Ein Haus – ach was, ein Gebäudekomplex aus alter, umgebauter Schule und generös konzipiertem Neubau samt noch nicht ganz fertigem Internat – so schick und modern, lichtdurchflutet, mit riesigen Fenstern, die die Außenwelt nach innen holen, und die Aktivitäten im Innen nach draußen projizieren, dass das Ganze überhaupt nicht nach Schule aussieht, sondern eher einem amerikanischen Campus gleicht: ein Jungborn in Berlin-Mitte, der überquillt von schierer Lebens- und Tanzlust.

Dass die nicht überschnappen, dafür sorgen die Kommentare der Architekten (Gerkan, Marg & Partner, die auch den neuen Berliner Hauptbahnhof gebaut haben und die Stadien für die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika) sowie die Statements der beiden Leiter (Ralf Stabel über die Geschichte der Schule und Gregor Seyffert, anzusehen mit seinem Kopftuch-Turban wie ein muslimischer Iman, über die strikten Ordensregeln einer Tänzerausbildung), sorgen die diversen Dozenten der verschiedenen Fachrichtungen – sorgen aber vor allem die Mädchen und Jungen, die einen der 348 Ausbildungsplätze ergattert haben und bei aller Begeisterung sich doch darüber im Klaren sind, was das Studium ihnen an Disziplin, Konzentration und vor allem an Arbeit abverlangt.

Allerdings leistet man die umso lieber in einer derart einladenden Atmosphäre, in der sich alle als Teil einer großen Familie wissen, die einem auch über schwierige persönliche Situationen hinweghilft. Und als deren Lohn dann die Mitwirkung an den vorstellungsreifen Einstudierungen winkt, sei es als unvermeidlicher Schwan, in Torsten Händlers „Sommernachtstraum“-Aufführung oder in Robert North‘ fetzigem „Troy Game“.

Wie da alles durchgeplant ist und Hand in Hand geht, sogar die Behelfsunterkunft in einem fast schon wieder nostalgischen DDR-Plattenbau. Wenn dann 2012 auch das Internat fertig ist, verfügt Berlin über ein architektonisches Juwel, das allenthalben Bewunderung, wenn nicht gar Neid erweckt – ganz sicher auch in Stuttgart, das ja bekanntlich ebenfalls einen Ballettschul-Neubau plant, das allerdings offenbar mit schwäbischer Häusle-Baumentalität. Aber vielleicht ersuchen die Schwaben aus der Urbanstraße ihre Berliner Kollegen ja um die notwendige Entwicklungshilfe.

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern