Die griechische Schuldenkrise und der Wald von Athen

Der „Ein Sommernachtstraum“ von Jörg Mannes – Die Generalprobe

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Hannover, 05/11/2010

Nein, ganz abgeholzt ist er noch nicht, Shakespeares ominöser Wald von Athen, auf der Bühne der Staatsoper Hannover in der Aufführung des Balletts „Ein Sommernachtstraum“ von Jörg Mannes. Aber ziemlich ausgedünnt erscheint er schon – in dem sehr coolen Dekor von Florian Parbs – die Bäume zu Fäden aus dem Schnürboden verschlankt (und das Holz an Ikea verkauft?). Auch sonst gibt er sich eher gewöhnungsbedürftig – und die Elfen, die ihn bei Shakespeare und auch in Brittens, von Cranko uraufgeführten „Sommernachtstraum“-Oper, umtanzten, schienen in der Kostümausstattung von Alexandra Pitz zum Athener Lumpenproletariat mutiert. Das alles hat mit dem Verzicht auf Mendelssohns Musik zu tun. Vielleicht ja, weil er Mannes zu romantisch erschien, und so hat er ihn durch Britten (nicht die Oper, sondern die „Variationen über ein Thema von Frank Bridge“ etc.) ersetzt (wie man es schon, zu Nazi-Zeiten, wenig erfolgreich, bei Carl Orff machte).

Mithin: Mannes hat dem „Sommernachtstraum“ gründlich allen Zauber und Hokuspokus ausgetrieben – inklusive dem Eifersuchtsstreit von Oberon und Titania um den Knaben und dem Puck (wie schon kürzlich in München dem Ariel im „Sturm“) eine Geschlechtsoperation verordnet, so dass er jetzt wie ein aufmüpfig pubertierender Backfisch über die Bühne tollt (aber natürlich viel elastischer). Und ihm so alle romantischen Flausen ausgetrieben und ihn als ein elegantes Liebes-Quiproquo auf die Bühne gebracht – ästhetisch oft berückend schön anzusehen, choreografiert mit weit ausholenden Schwüngen, als ginge es um eine neue olympische Disziplin der Turbo-Schwungfigurationen). Ich wünschte mir, er wäre in seiner Modernisierungsambition noch weitergegangen und hätte gleich Arno Schmidts „Zettels Traum“ als Ballett uraufgeführt.

Denn die Handwerkerszenen mit ihrem burschikosen Humor gehören zum Besten dieser Produktion. Schon der Pas de deux für Titania und Zettel als Esel gelingt ihm als Meisterstreich an tragikomischer Drolerie. Und das große Spektakel der Handwerker um Pyramus und Thisbe gerät ihm zu einer ausufernden Slapstick-Farce in bester Stummfilm-Manier. Doch auch sonst erweist sich Mannes als ein handwerklich gediegener Geschichtenerzähler – einer der wenigen aus der heutigen Garde der Neumeier, Spoerli und Breuer – der seine Kompanie gut in Schuss hat. Getanzt wurde jedenfalls schon in der Generalprobe mit Aplomb wie in der Premiere; ein eindrucksvoller Beweis für die technische Qualifikation, die sich das Hannoversche Ballett in den vier Spielzeiten unter der Leitung von Jörg Mannes erarbeitet hat.

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