Wilde Tänze in der Vulkanasche

Gastspiel des belgischen choreografischen Theaters „Ballets C de la B“ in der Oper Bonn

Bonn, 28/09/2009

Weißgraue Asche über allem. Unterschiedslos bedeckt sie eine Hütte mit Einbaum auf dem Dach ebenso wie eine zweistöckige Villa. Leblose Körper liegen herum. Ein Vulkanausbruch war es, der Choreograf Koen Augustijnen zu diesem Tanzstück über die Vergänglichkeit des Lebens inspiriert hat. Herausgekommen ist „Ashes“ (Asche), ein großartiges, äußerst intensives Tanztheater, das vom Theater Bonn mit dem belgischen „Ballets C de la B“ und acht weiteren europäischen Theatern koproduziert wurde. Auch die Kostüme der Akteure sind in monotonem Grau gehalten. Nur die Afrikanerin Chantal Loïal, grellgrün gekleidet, mit rotem Schirm, sticht aus dieser Eintönigkeit heraus. Die Vitalität ihrer Bewegungen (voller Witz: ihr wackelnder Hintern!) und ihr klagendes Stimmtremolo bringt neues Leben in die Truppe.

Schulterklopfend nähert man sich an, die Asche staubt von den Kleidern. Erst einzeln, dann in Duos setzen die Tänzer zu einer Reihe sinnloser Bewegungsfolgen an, die oft bis zur Erschöpfung wiederholt werden. Koen Augustijnens Tanztheater zeigt in bedrückender Offenheit eine von einer Natur-katastrophe traumatisierte Gesellschaft, die zu autoaggressiven Handlungen neigt und sich damit der Gefahr ihrer eigenen Zerstörung aussetzt. Da rennen Tänzer gegen die Wand, klettern in Wahnsinnstempo Wände hoch, fallen rasend durch Schächte, verknoten ihre Gliedmaßen, drehen sich wie im Veitstanz, üben akrobatische Überschläge oder eine absurde Trampolin-Nummer über den Köpfen der Live-Musiker. Das ist komisch und tragisch zugleich. Die Inszenierung bewegt sich immer an dieser Schwelle.

Augustijnen bedient sich dazu einer eigenwilligen Tanzsprache, die ihre Schönheit in der Darstellung des Hässlichen entfaltet. Gebrochene Bewegungen mit verwinkelten und verknoteten Gliedern, unsicher wirkende Tanzschritte, die immer zum Fallen führen. Der unperfekte Mensch als Provokation gegen die normative Kraft des Alltäglichen: in Augustijnens Tanzstücken ist er eine wiederkehrende Konstante. Kontrapunktisch stehen den Aktionen Georg Friedrich Händels barocke Liebeslieder gegenüber. Wenn Countertenor Steve Dugardin und Sopranistin Amaryllis Dieltiens sich im Gesang unter die Tänzer mischen, wirkt das wie eine versöhnliche Geste, ebenso wie ein kraftvoll-intensives männliches Solo als anrührende Anklage der Vereinzelung. In kleinen Szenen im Pina-Bausch-Stil suchen die Akteure Annäherung. Auch in erschütterten Gesellschaften sind alle miteinander verwoben. Sanft wiegend klingt das Stück aus. Vielleicht etwas zu sanft, denn das angedeutete latente Aggressionspotential hat die Inszenierung nicht wirklich aufbrechen lassen.

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