Von Schall und Rauch

Kate McIntosh debütiert im Rahmen des Münchener Spielart-Festivals mit „Dark Matter“

München, 02/12/2009

Ein wenig verloren wirken sie schon, die beiden akkurat gekleideten Gentlemen in Abendgarderobe, als sie die Probebühne der Schwere Reiter Halle in München betreten. Mit unsicheren Schritten und fahrigem Gestus tasten sie sich durch den Raum, stolpernd und torkelnd inmitten eines heillosen Durcheinanders. Es war eine rauschende Ballnacht: Feinster Zwirn trifft auf knittrige braune Papiertüten, schwarze Lackschuhe bewegen sich in einem Wirrwarr aus abgewetzten Tauen, riesigen Mehlsäcken, unförmigen Holzbrettern und allerlei anderem Gerät. In der Ecke eine Karaffe; Eimer und Schwämme, ein abgenutztes Tau, ein Cocktailglas. Hier und da steigt noch ein grauer Luftballon auf, bedeckt goldener Flitter den Boden. Ermüdete Blicke, die ihr Publikum suchen und doch nicht finden. Unbequemes Verharren in der Pose, abwartend und ungewiss.

Dann, endlich, der ersehnte Stimmungswechsel: Auftritt der Lady im hautengen giftgrünen Glitzerdress. Plötzlich ertönt Musik, die Bühne erwacht zum Leben. Es wird gerannt und gesprungen; aus dem Spiel erwächst ein Kampf. Kräftemessen auf engstem Raume. Das Tau wird zum Lasso, mit dem die Herren ihre Dame einfangen; das Brett dient als Rammbock, mit dem sie sich gegenseitig von der Bühne zu drängen suchen. Tüten werden zerrissen, Federn fliegen, bunte Kugeln ergießen sich mit lautstarkem Getöse über den Boden, knallend und polternd wird mit Luftballonbündeln um sich geschlagen, hart prallen die Körper aufeinander. Es folgt der Sprung in den imaginären Schützengraben: Verteidigung und Angriff, das Kriegsspiel eskaliert. In einem kleinen Tänzchen, ein paar unbeholfenen Walzerschritten, darf die Aggression sich schließlich entladen, und langsam ausklingen. Das Schlachtfeld wird nun kurzerhand zu einer Art Variététheater umfunktioniert, auf dessen Bühne sich die Akteure an diversen Kunststücken versuchen. Halsbrecherische Seilsprünge folgen dem Balanceakte auf der Wippe, Gegenstände werden hervorgezaubert, eine pseudowissenschaftliche Versuchsreihe in einer Art „Heimlabor“ inszeniert, die Musikalität diverser Gegenstände auf die Probe gestellt und immer wieder mit der Nebelmaschine hantiert.

Dazwischen verhandelt Kate McIntosh, die Dame in Grün, in grotesk-komischer Manier die großen Sujets der irdischen Existenz und des universellen Geschehens: Sie versucht sich als Stand-Up-Comedienne, montiert Musical-Einlagen und kleine, improvisiert erscheinende Ausdruckstänze zu einem bunten Programm, durch das sie als Moderatorin führt. Dabei weckt nicht nur der trockene Humor der Künstlerin, sondern insbesondere die Arbeit mit Texten, Bewegungen und Technologie Reminiszenzen an Wendy Houston, Grande Dame des experimentellen Tanztheaters.

www.spielart.org

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern