Goldenes Tanzbewusstsein

Ein Gespräch über Geld auf dem Münchner „Dutch me!“-Festival

München, 10/05/2009

Aus deutscher Sicht erscheinen die Niederlande wie ein Utopia der Tanzförderung. Es fließen mehr öffentliche Gelder, und auch einzelne Kompanien oder Produktionen können sich beim Staat um Förderung in Millionenhöhe bewerben. Im Rahmen des „Dutch me!“-Festivals lud Joint Adventures-Chef Walter Heun deshalb zur aktuellen Podiumsdiskussion. Im Mittelpunkt: „Das neue Münchner Tanz-Fördermodell im internationalen Vergleich“. Haben die Holländer vielleicht noch ein paar Tricks auf Lager, Kulturfonds anzuzapfen, die der Münchner Kulturreferent Hans-Georg Küppers aufgreifen sollte?

Zunächst einmal beginnt in der künstlerischen Heimat Jiri Kylians alles wie bei uns auch. „Am Anfang, zu Beginn der 90er, steckten wir eigenes Vermögen in unsere Produktionen, hatten ehrenamtliche Mitarbeiter“, berichtete Bernadette Stokvis vom Theater Korzo in Den Haag. „Wir haben Geld organisiert, wo es nur ging, aus lokalen Töpfen oder auch durch private Sponsoren. Erst als unser System lief, beantragten wir 1994 nationale Fördergelder. Wir bekamen sie und wurden so offiziell zum staatlich geförderten ‚Productionhouse’.“ Ein Punkt, ab dem der Unterschied zu Deutschland eklatant wird. Denn in den Niederlanden investiert der Staat bedeutend mehr in die Kunst. „Alleine in Amsterdam fließen jedes Jahr 15 Millionen Euro in den Tanz, neun davon in freie Produktionen“, erklärte Nan van Houte vom Theater Institut Nederland. Zum Vergleich: Unser Bundesfonds für darstellende Künste gibt eine Million jährlich aus, der Tanzplan Deutschland investiert 2,5 Millionen. Als Retter fungieren bei uns die Kommunen. Die Stadt München gibt beispielsweise jährlich 1,33 Millionen Euro für Tanz aus. Ab 2010 sollen obendrein neue Förderregeln den Tänzern und Choreografen an der Isar das Leben leichter machen. Unter anderem werden dann nicht nur Neuproduktionen unterstützt, sondern auch Gastspielreisen, Wiederaufnahmen und schöpferische Pausen von mehr als einem Jahr, in denen Künstler ohne Druck neue Werke schaffen können. Zudem sollen die Mitglieder der Förderjury künftig aus der Tanzszene stammen.

Doch wie bekommen auch wir es hin, dass man den Funktionären im Bundes- und Landes-Kultusministerium nicht ständig lang und breit erklären muss, warum diese und jene Tanzproduktion wertvoll ist und Geld braucht? Regel eins könnte heißen: Einheimische vor. „In den Niederlanden werden fast ausschließlich nationale Produktionen gefördert, internationale gar nicht“, so Nan van Houten. „Dabei wird von oben auch sehr genau vorgegeben, wie die nationale Kulturlandschaft aussehen soll. Man plant: Wir wollen eine große klassische Kompanie haben, eine große moderne Kompanie, zwei tourende moderne Kompanien, so uns so viele freie Productionhouses, und so fort. Fehlt etwas in diesem Plan, wird es geschaffen.“ Einheimische Künstler zu stärken ist ganz im Sinne von Kulturreferent Küppers: „Was in München fehlt, ist eine Art Showcase“, sagte er, „ein Festival, bei dem die ansässigen Künstler dem Rest der Republik, und auch internationalen Gästen zeigen, welche Produktionen man überhaupt einladen könnte.“ Mit Patriotismus hat das indes nichts zu tun. Was hinter der niederländischen Großzügigkeit steckt, ist schlicht ein höheres, öffentliches Bewusstsein für den Tanz. Regel Nummer zwei muss also heißen: Den Tanz populärer machen. Hier brachte Küppers erneut seine Vision vom Tanzgymnasium zur Sprache. „Tanzförderung muss spätestens in der Schule beginnen“, sagte er, „im Fußball ist das doch auch normal.“ Und wird vom Steuerzahler auch nicht hinterfragt. Im weiteren Sinne folgt daraus: Wenn es begeisterte Couch-Sportler gibt, kann man auch spendable Sessel-Tänzer schaffen. Man muss nur gießen, dann blüht alles.

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