„Le Concours“ - das pure Vergnügen

Das Béjart-Ballet Lausanne stöbert in der Zauberkiste

Lausanne, 22/05/2009

Ein internationaler Wettbewerb für junge Tänzerinnen und Tänzer. Ein Mädchen namens Ada wird erschossen. Ein Polizeiinspektor fahndet nach dem Täter. Oder ist es eine Täterin? In Verdacht geraten mindestens sechs Personen, darunter die Mutter der Ermordeten, die Tanzlehrerin, ein Choreograf und ein Zirkusmagier. Doch wie das so ist bei Krimis à la Highsmith oder Chandler: Am Ende kommt alles anders, als man denkt.

Der Ende 2007 verstorbene Maurice Béjart hatte diesen Krimi unter dem Titel „Le Concours“ („Der Wettbewerb“) anno 1985 mit dem damaligen Ballet du Xxième Siècle in Brüssel uraufgeführt. In den Hauptrollen tanzten Stars wie Shonach Mirk, Grazia Galante, Michel Gascard, Patrick Dupond – und vor allem der legendäre Jorge Donn als Inspecteur. Jetzt, in der originalgetreuen Rekonstruktion von „Le Concours“ durch das heutige Béjart Ballet Lausanne, brilliert Julien Favreau in dieser Rolle. Äußerlich gleicht er, gewollt oder ungewollt, seinem Vorgänger Donn, den er selber allerdings nicht mehr gekannt hat. Favreau wirkt ähnlich wendig und attraktiv, hat sogar noch zusätzlich einen Zacken drauf punkto tänzerischer Waghalsigkeit. Und der Humor! „“L’humour et l’amour vont de pair“ – „Liebe und Humor bilden ein Paar“, wie Béjart einmal sagte. „Le Concours“ ist randvoll Humor in allen Schattierungen: Durchdrungen von Körperwitz, Ballettparodie, Genre-Ironie, Charakter-Veräppelung.

Neben Favreau als Inspecteur kommen vor allem die Rollenträger der internationalen Jury zum Zug, aufgeregt sich bewegend und in teils unverständlichen Sprachen palavernd. Domenico Levrè vertritt in diesem Gremium Frankreich, Elisabet Ros die USA, Valentin Levalin & Fanny Hauguel kommen aus der einstigen Sowjetunion, Nami Kaigaishi & Katori Masayoshi aus Japan. Man könnte sich kugeln vor Lachen bei diesen Auftritten – und sich manchmal auch richtig ärgern über allzu weit getriebene Karikaturen. Zum Beispiel über die sonst so gediegene Elisabet Ros in ihrem rosa Kleidchen, die hysterisch „Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose …„ zitiert und immer wieder ihre langen Beine mit den rosa Highheels senkrecht in die Luft wirft. Eine Glanzleistung bietet Sylviane Bayard als Miss Maud. Diese typisch Béjartsche Ballettlehrerin will aus Ada einen klassischen Star machen. Doch als das Mädchen mit einem nicht akkurat akademisch tanzenden Freund durchbrennt, verliert Miss Maud die Fassung. Und weil sie dann droht, sie werde Ada erschießen, falls sie ihr wieder einmal begegne, zieht sie zwangsläufig den Mordverdacht auf sich. Ebenso verdächtig macht sich der Zirkusartist (Thierry Deballe), dem Ada einst assistiert hat. Er zieht plötzlich eine Pistole. Doch statt dass ein Schuss fällt, wachsen Blumen aus dem Schaft. Die Zirkusszene mit einem hypnotisierten „Zuschauer“ gehört zu den ulkigsten des ganzen Balletts. Kateryna Shalkina als Ada wird zwar schon kurz nach Beginn des Wettbewerbs ermordet, darf sich aber öfter wieder erheben, so zu einem langen Pas de Deux mit Prinz Albert aus dem weißen „Giselle“-Akt. Ist ja klar, dass es bei diesem „Concours“ um die hohe Schule des klassischen Tanzes geht; alle Abweichungen davon gelten noch als frech und unmoralisch. Wenn das – echte oder fingierte – Publikum nach einem klassischen Auftritt applaudiert, etwa beim leicht parodierten Defilee à la Opéra de Paris, dann rennt sofort Miss Maud nach vorn, um sich zu verneigen. Ganz am Schluss kriecht sie sogar noch Anerkennung heischend unter dem gefallenen Vorhang hervor.

Das ist nur einer der vielen, fast allzu vielen Gags dieses Béjart-Stücks. Komisch auch die Musik: Aus einem scheppernden Lautsprecher erklingen immer wieder Auszüge aus Balletten, zuerst „Schwanensee“, zuletzt „Giselle“: Musik also von Tschaikowsky, Adam, Delibes, Minkus, Drigo und so weiter. Die Verbindungsteile aber stammen vom Zeitgenossen Hugues Le Bars und sind mit ihrem repetitiven Schnauben, Klopfen und Scheppern bewusst nervig. Pikant, dass die Premiere von „Le Concours“ vom 20. Mai 2009 ausgerechnet im Lausanner Palais de Beaulieu stattgefunden hat. Hier strömt ja jedes Jahr der internationale Tanznachwuchs zum Prix de Lausanne zusammen. Auch bei diesem Wettbewerb trifft man auf eine gestrenge (meist jedoch weniger komische) Jury, auf ehrgeizige Lehrpersonen und mitfiebernde Mütter (Marie-Thérèse Jaccard, Béjarts engste administrative Mitarbeiterin, mimt im Lausanner „Concours“ eine von ihnen). Dazu kommen die Schülerinnen und Schüler, die nicht nur trainieren und vortanzen, sondern ständig mit Umziehen beschäftigt sind. Weil das heutige Ballet Béjart Lausanne nur mittelgroß ist, hat man die am „Concours“ teilnehmenden Tänzerinnen und Tänzer aus der Rudra-Schule rekrutiert. Sie tanzen und spielen mit Lust. Und Gil Roman, der heutige Chef des Béjart Ballet Lausanne? Sicher hat ihm das Herz geblutet, dass er den Inspecteur in „Le Concours“ nicht wieder einmal selber tanzen konnte, sondern nur bei der Rekonstruktion mitwirkte. Aber mit seinen vielen Funktionen als künstlerischer Leiter der Truppe, Präsident der Fondation Béjart, Garant für den Nachlass des Meisters und weiteren Aufgaben ist er voll auf Trab. Im Programmheft erklärt er, wieso er ausgerechnet den 24 Jahre alten „Le Concours“ wiederbeleben wollte: Es gebe wenig Stücke von Maurice Béjart, die ein so breites Spektrum von szenischer und theatralischer Imagination, von choreografischer Fantasie und Kommunikationsbegabung zeugten. Es lebe „Le Concours“.

www.bejart.ch

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