Zwischen Traum und Trauma: Früchte im Koma

Ein starkes Stück Tanztheater im projekttheater Dresden

Dresden, 24/09/2008

Sie schonen sich nicht. Uns auch nicht. In knapp einer Stunde liefern die drei Tänzerinnen Andriana Seecker, Uta Rössler und Brigitte Bodingbauer kräftige Kampfszenen zwischen vermöhltem Nachtclubambiente, heimlichen häuslichen Kuscheltierträumen und exzessiven Espressozeremonien. Immer wieder Amokläufe gegen die Unerbittlichkeit einer schwarzen Wand als Begrenzung ihrer kleinen Welt, die nicht nur aus den Fugen geraten ist, sondern auch ein bisschen auf dem Kopf steht. So wie sie ihre Körper gegen die Wand klatschen lassen, so knallen sie auch aufeinander, prallen voneinander ab, verknoten sich immer wieder in Dreierkonstellationen, bei denen letztlich immer ein Körper zu viel ist. Eine ganz und gar unheilige Trinität. Der innere Clinch wird überspielt durch kleine freundliche Lächelattacken Richtung Publikum.

Überhaupt das Spiel mit dem Unglück derer, die sich „zum Obst“ machen – „Früchte im Koma“ – und dem Voyeurismus derer, die zusehen. Das raumgreifende Theater versetzt die Zuschauer ständig in Entscheidungssituationen, weil im komplexen Geschehen einer so vehement ausgefochtenen Gefühlsfarce die traditionelle Position der Übersicht verweigert wird. Die drei Tänzerinnen, gerade fertig mit der Ausbildung, verantwortlich für Konzept, Choreografie, Bühne und Dramaturgie, fegen mit Temperament und Frische durch einen Alptraum als sei dies ihr Lebenselement. Ihr Tanz, synchron, asynchron, miteinander oder gegeneinander ist reich an komplizierten Bewegungsabläufen, Hebungen und immer wieder verblüffenden solistischen Fluchtvariationen. Fallen und Fälle. Für den Zuschauer geht es nicht darum zu verstehen. Das Rätsel dieser außerordentlichen Begegnung lässt sich nicht lösen, das System der drei Frauen in ihrem Beziehungs- und Verweigerungsgeflecht bleibt unerkannt.

Allein die Wirkweisen in den Formen des Tanzes machen die Spannung, Intensität und vor allem die Authentizität eines solchen Theaters aus. „Nigthmare before Valentine“ nennt sich die Gruppe, die in Berlin und Potsdam zu Hause ist. Ja was denn, doch die Angst vor Rosen, Narzissen oder Wicken? Also bleiben sie unter sich? Drei Frauen, drei Tiere, Obst und Gemüse und die Schallplatte, immer wieder abgespielt, den Kuschelteddy drauf gesetzt und drehen lassen, „Bei mir bist du schön“. Sagt einem ja sonst keiner. Oder singt jetzt mein Teddy wirklich? Da ist doch der Drehwurm im Fallobst.

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