Zeit - ein „totalitäres System“?

Luc Dunberrys Osnabrücker Tanzstück

Osnabrück, 23/06/2008

Zeit als „ein totalitäres System“ mit den acht Osnabrücker Tänzern darzustellen, hatte sich der kanadische Tänzer-Choreograf Luc Dunberry für sein Tanzstück „Mond....Days“ vorgenommen. „Zeit“ definiert der prominente Gast aus Berlin, jahrelang Tänzer bei Sascha Waltz und mittlerweile auch international erfolgreicher Choreograf, als „eine Metapher für eine repressive Gesellschaft, die jeden persönlichen Impuls erstickt.“

Zu Beginn betritt eine Frau forschen Schritts die kleine, kahle Spielfläche und stellt mit zynischem Lächeln eine Überwachungskamera auf. Der junge Mann, der nach ihr kommt, ist eigentlich noch ein verspieltes Kind. Seine weiß behandschuhten Hände mutieren in fantasievollem Spiel zu Kasperlepuppen – bis die harsche Alltagshetze der Erwachsenen seine Kreativität zerstört. Wenn im weiteren Verlauf zwei Menschen einander in zärtlicher Umarmung entdecken, reißen viele Hände das Paar brutal aus einander. Wer tot zusammenbricht, wird einfach ignoriert. Dass einer der Tänzer wegen einer Verletzung bei der Premiere im intimen „emma-theater“ nicht mit auftreten konnte, war kaum je zu bemerken – ein gutes Zeichen immerhin für die Flexibilität der kleinen Truppe von Marco Santi, aber leider auch beredtes Zeugnis dafür, wie wenig der Einzelne oft zählt im abstrakten Tanztheater. Aus den Mosaiksteinen vom Nachdenken über die brisante Aktualität von „Big Brother is Watching you“ und tänzerischen Improvisationen im Zeitmaß von Zeitraffer, Zeitlupe und Echtzeit ist leider kein Bild mit unverwechselbarer „Handschrift“ entstanden, kein innovatives zeitgenössisches Tanzstück zu dem so vielfach variierten Thema „Zeit“. Allerdings wird in diesem „Zeitstück“ auf die Musik- und Geräuschkulisse von Peter Göhler und mit den strengen Kostümen von Katharina Beth der Aspekt „Lebenszeit“ zum anrührenden Angelpunkt: Sehnsucht nach der Kindheit deutet – wie die Handpuppensequenz - der kurze Auftritt eines Kindes in gelbem Regenmantel an. Ein Farbklecks inmitten der tristen grauen Erwachsenenwelt.

Nächste Vorstellung: 29. 06., 02. und 06. 07.08 / www.theater-osnabrueck.de

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