Vergnüglich schlägt Dröge

RES(E)T von Antje Pfundtner und „DISPLAY/COPY ONLY“ von Joanne Leighton

Hamburg, 27/04/2008

Zwei Choreografinnen – das gleiche Thema: „Copy/Paste“, das heißt arbeiten mit Versatzstücken, von Kolleg*innen gekauft, geborgt, in neue Zusammenhänge gefügt, variiert, sich anverwandelt zu eigenem, individuellem Profil oder belassen im Originalzustand. Antje Pfundtner und Joanne Leighton stellten sich auf Kampnagel dieser Aufgabe im Rahmen der Tanz-Themenreihe „Copy/Paste“ und präsentierten sehr unterschiedliche Resultate.

Pfundtner hat sich zwei Tänzerinnen geholt, tritt dazu selber auf und komprimiert das handlungslose Geschehen von „RES(E)T“ auf 50 Minuten, entgeht dadurch größeren Durchhängern. Leighton beschäftigt in ihrem „DISPLAY/COPY ONLY“ fünf Tänzer und dehnt ihr Stück auf 70 Minuten, es läuft immer dünner aus und versickert. Pfundtner breitet eine bunte Fülle von Miniaktionen aus, als wolle sie es den Zuschauern überlassen, sich etwas auszusuchen aus dem Angebot von Tanztheaterstückchen. Sie mischt ohne Scheu surreale Momente mit skurrilen, augenzwinkernden und ironisch unterfütterten, scheinbar bedeutungsvollen. Da tanzt eine mit Blätterperücke, wirkt wie ein Waldschrat. Eine legt sich unter ein ellenlanges schwarzes Tuch, kriecht darunter entlang, nachdem sie vorher auf einem dreibeinigen Stuhl gesessen hat. Eine andere legt sich über die Knie einer sitzenden Kollegin, die ihr einen Wust aus schwarzen Federn aus dem Rücken rupft. Schließlich schnappt sich eine den Unterkörper einer Schaufensterpuppe und wagt einige Stampfschritte.

Mit Wiederholungen - gewissermaßen wie RES(E)T, dem Neustart des Computers - strukturiert Pfundtner ihr Stück: Flattern nur mit den Händen, im Spreizsitz hoppeln, Frau am Boden, auf dem Bauch liegend, zieht immer wieder die Hüften, den Popo hoch, weite Ausfallschritte. Zu einem schönen Duo, sehr körperbetont, meint eine junge Frau später, es sei “die Sinne ansprechend, aber nicht erotisch“. Für mich hat es auch eine erotische Komponente. Als humorvoll empfindet sie die Episode mit dem Apfel, aus dem ein Tänzerin krachend ein Stück heraus beiß, unter Stöhnen zerkaut und Teile aus dem Mund fallen lässt. Mir scheint es nur witzig. So unterschiedlich zu hören sind auch die Reaktionen anderer Zuschauer*innen. Zu dritt treten die Frauen ans Klavier, klimpern ein Kleinmotiv nebst Begleitung nur mit den rechten Händen.

Sprechen, Laute, kleine Schreie. Yoga-Kopfstand. Manisches Hüpfen. Zwei Minihubschrauber werden nacheinander gestartet. Zum Finale liefert die Pfundtner eine Parodie „Für Karin“ zu großsinfonischer Filmmusik: Seitliche Trippelschritte wie beim klassischen Spitzentanz, Flattern mit nach oben gerichteten Handflächen, so dass sich eine groteske Überdehnung der Arme im Ellenbogen ergibt, rechts hinten wartet ein Gestalt im schwarzen Kapuzenkleid mit nackten Beinen wie eine vom Ku-Klux-Klan. Unvermitteltes Ende eines vergnüglichen Stückes.

Leighton scheint in DISLAY/COPY ONLY mehr Bedeutung aufbauen zu wollen, links und rechts an den Bühnenrändern hat sie Scheinwerferbatterien mit je 18 Scheinwerfern hingestellt. Fünf sehr unterschiedliche Tänzer beginnen musiklos. Première, Troisième, Cinquième murmelt einer. Die Bewegungsfolge des Trios wiederholt sich in unterschiedlichen Raumpositionen. „I’m gonna miss you“ ertönt mehrere Male, immer verzerrter, rauschender. Bis zum Abbruch, Dunkelheit: Panne, Absicht? Das bleibt offen. Zwischendurch fordert einer das Publikum auf, nach Sternen zu suchen, die an der Rückseite der Stühle angeklebt sind. In einem Gemisch aus Englisch und stotterndem Deutsche geht unter, was man damit machen soll. Kraftvolle Geschmeidigkeit prägen die flüssig ablaufenden Duos und Trios, die wie das Resultat ausgiebiger Contact-Improvisation wirken.

Hinter dem Vorhang an der hinteren Wand dringen als Dauerbegleitung während der Laufzeit die Laute von Proben hervor: Training, Requiem, Konzert. Nach und nach wechseln alle ihre Kleider, treten als Elvis-Kopie im Glitzeranzug mit weit ausgestellten Hosenbeinen und hohem Kragen auf. Und nun folgt keine Rockshow. Vielmehr kapriziert sich Leighton nach einer Gruppensequenz mit fantasievoll wechselnden Raumpositionen auf einen endlosen Improvisationsteil aller und einen gespielten Probenabschnitt mit zwei Protagonisten: Der Eine, schlank, nervös, erklärt, erläutert, macht vor, spreizt sich eitel mit Körper und Worten. Der Andere, athletisch mit leichtem Bauchansatz, versucht seinen Anweisungen immer hektischer nachzukommen. Dazwischen schieben sich störend die übrigen. Was vermutlich als ironisches Unterlaufen hoher formulierter Ansprüche, die kein erkennbares Eigenleben auf der Bühnenfläche gewinnen, slapstickartig gemeint war, erschlafft bald mangels knackiger Pointe. Dröge.


Nebenbemerkung: In beiden Vorstellungen waren die Zuschauerreihen nur zu etwa einem Viertel besetzt.

 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern